Nun fotografiere ich seit einer ganzen Weile mit einem kleinen Sensor im Micro-Four-Third-Format – halbe Fläche im Vergleich zum 35mm-Format, das wir alle so sehr lieben und kennen aus der analogen Zeit. Das kleinere Format bringt einige Vorteile mit sich: Die Kameras sind kompakter und leichter, die Objektive ebenfalls, Tele ist traumhaft weil der Bildwinkel im Vergleich zum 35mm-Format mit 2 multipliziert wird – man hat ja eine Ausschnittsvergrößerung wegen des kleineren Sensors. Die Verschlusszeiten mit Blitzlicht sind ohne Tricks bei 1⁄350s statt bei 1⁄200s.
Es gibt aber auch Nachteile: Die Freistellung, das Spiel mit geringer Schärfentiefe, ist sehr viel schwieriger und eingeschränkter. Je größer der Sensor, desto mehr Brennweite nutzt man für einen bestimmten Bildausschnitt und je mehr Brennweite, desto besser kann man bei offener Blende freistellen.
Kann man also gar nicht freistellen mit einer MFT-Kamera? Doch. Und für die ganz harten Fälle gibt es Lösungen unter anderem von Mitakon mit Offenblende von sagenhaften f⁄0,95 – Stimmt diese Angabe oder ist das nur Marketing?
Wenn ich im Folgenden von “ist vergleichbar mit…” schreibe, dann meine ich immer den Vergleich vom MFT zum 35mm-Format, auch Kleinbild- oder Vollformat genannt.
Mehr Tiefenschärfe ist auch gut
Zunächst möchte ich vorweg schicken, dass ich mit der geringeren Freistellung beim MFT bisher wenig bis keine Probleme hatte. Im Gegenteil, es war sogar oft ein Vorteil! Ich sage durchaus auch mal ironisch, dass f⁄2.8 am MFT einer geschlossenen Blende entspricht – bezogen auf die Freistellung. Das ist zwar etwas übertrieben, wenn ich Euch aber sage, dass man 25mm f⁄2.8 am MFT vergleichen kann mit 50mm f⁄5.6 am 35mm-Format, dann wird klar was ich sagen möchte. Wer die cremige Freistellung eines 85⁄1.8 oder 50⁄1.4 am Vollformat liebt, der ist mit MFT sicher erstmal enttäuscht.
Der Vorteil ist aber, dass ich bei f⁄2.8 auch mal Pärchen oder kleinere Gruppen fotografieren kann, ohne dass nur die Nasenspitze der vorderen Person scharf ist smile Ich kann also bei wenig Licht mit kurzen Belichtungszeiten arbeiten und habe trotzdem meistens genug Schärfentiefe. Das ist durchaus ein Vorteil.
Freistellung ist auch schön
Aber natürlich möchte man auch mit einer MFT mal richtig freistellen können ohne gleich zu superlangen Brennweiten greifen zu müssen. Ich nutze zum Beispiel sehr gerne das Olympus 40-150⁄2.8 und erreiche damit durchaus tolle Freistellungen für Portraits.
Manchmal soll es aber etwas mehr sein, dann wird die Luft allerdings dünn bei den verfügbaren Objektiven.
Panasonic hat ein 42.5⁄1.2 im Programm, das ist vom Effekt her vergleichbar mit einem 85⁄2.4 – Immerhin und es hat Autofokus. Ich konnte es mal ausprobieren und es ist richtig gut, extrem scharf schon bei Offenblende. Hammer. Hat aber auch seinen Preis.
Aber was tun, wenn es etwas mehr sein soll und wenn es günstiger sein muss? Dann muss man derzeit auf den Autofokus verzichten, bekommt dafür aber richtig Licht in die Kamera smile
Mitakon hat ein paar Objektive mit Offenblende f⁄0,95 im Programm und im Gegensatz zu den Voigtländern sind sie deutlich günstiger zu bekommen. Ich habe mir ein 25⁄0.95 gegönnt – vom Effekt her vergleichbar mit 50mm bei f⁄1.9 – gibt es nicht, also irgendwo zwischen f⁄1.8 und f⁄2.0 – sieht ohnehin niemand den feinen Unterschied wink
Hier mal ein Vergleich zwischen der Olympus E-M1 mit Mitakon 25⁄0.95 und Canon 5D mit Canon 50⁄1.8, jeweils bei Offenblende. Vorne weg die Olympus mit dem Olympus 12-40⁄2.8
Die Freistellung vom Mitakon ist schon vergleichbar mit dem Canon am 35mm-Format. Das Canon 50⁄1.8 scheint noch ein wenig mehr freizustellen, was darauf hindeutet, dass die f⁄0.95 keine echten 0.95 sein könnten. Dafür ist es aber bei Offenblende schon deutlich schärfer als das Canon! Außerdem könnte ich mit dem Mitakon noch näher ran gehen und somit eine bessere Freistellung erreichen, die Naheinstellgrenze beim Canon 50⁄1.8 ist deutlich größer.
Nichts für Action
Für schnelle Action taugt das natürlich nichts – ohne Autofokus muss man schon ziemlich geübt sein, um auf die Schnelle scharf stellen zu können. Fokus-Peaking hilft nur bedingt weil der Schärfebereich so dünn wird, dass man präzise nur mit der Sucherlupe fokussieren kann, ansonsten ist es neben viel Übung auch etwas Glückssache.
Aber ja, die Freistellung ist möglich. Wenn es also mal ein Portrait bei kontrollierten Bedingungen sein soll, ist so ein Mitakon definitiv eine Möglichkeit. Personen oder Tiere die sich schnell vor der Kamera bewegen, auf mich zu oder von mir weg, würde ich damit allerdings nicht fotografieren wollen smile
So viel Licht? Wirklich f⁄0.95?
Von der Freistellung mal abgesehen hat die große Offenblende noch einen anderen Vorteil – viel Licht. In der Dämmerung mit kurzen Belichtungszeiten kann bei einer Reportage sehr vorteilhaft sein, das gilt natürlich auch für Vortragssäle und ähnliche Situationen. Vom fehlenden Autofokus mal abgesehen lohnt sich so ein Objektiv dafür durchaus, hier hat man meistens ein, zwei Sekunden Zeit zum fokussieren und freut sich über die kurzen Zeiten.
Aber lässt das Mitakon wirklich so viel Licht auf den Sensor? Oder ist das nur Marketing oder ein Rechentrick? Ich habe es einfach mal ausprobiert wink
Kamera aufs Stativ, Dauerlicht auf eine Graukarte, Olympus 12-40⁄2.8 auf die Kamera und zwei Vergleichswerte bei f⁄2.8 und f⁄4.0 geholt
Hier dieselben Blenden mit dem Mitakon – Die Blende wird nicht elektronisch durchgereicht und ist daher im Sucher nicht zu sehen. Achtet auf die Belichtungsanzeige (die Anzeige unten rechts), sie zeigt dieselbe Unterbelichtung von -1 und -2 Blendenstufen. Gut.
Jetzt wird die Blende weiter geöffnet
- Bei f⁄2 ist die Belichtung auf den Punkt – Kunststück, das war für meine Messung die Ausgangsbasis wink
- Bei f⁄1.4 haben wir, wie zu erwarten, eine Blendenstufe mehr Licht
- Um noch eine Stufe mehr Licht zu bekommen, bräuchten wir f⁄1.0. Wir haben aber f⁄0.95. Es wäre also zu erwarten, dass wir eine Belichtungsanzeige von +2.irgendwas sehen würden. Tatsächlich bekomme ich aber nur +1.7 angezeigt
Bei Offenblende bekomme ich also 0,7 Blendenstufen mehr Licht im Vergleich zu f⁄1.4 – Rechnerisch habe ich also eine Offenblende irgendwo bei f⁄1.1. Das ist schon ein wenig enttäuschend.
Es ist zu bedenken, dass die Kamera nur volle Drittelstufen anzeigt. Bei der stufenlosen Blende des Mitakon bekomme ich also trotzdem keine Werte wie +1.1 oder +1.2 angezeigt. Ich kann nach der +1.7 Anzeige noch ein Stückchen weiter drehen. Könnte also rechnerisch auch ein +1.9 sein – Interessiert mich zwar nicht so brennend, für die Technik-Fans aber ein wichtiger Hinweis. Evtl. misst das mal jemand mit einer Pipette aus der Ausnahme nach smile
Natürlich ist mir klar, dass jedes Objektiv weniger Licht in die Kamera lässt als drauf steht – Das Glas und die Vergütungen schlucken ein wenig, für Film-Objektive gibt es daher stat der f-Werte die t-Werte die angeben, wie viel Licht wirklich durch kommt. Damit hat mein Test allerdings nichts zu tun, denn egal wie viel Licht das Glas an sich schluckt, relativ zu sich selbst werden die Blendenstufen ja nicht beeinflusst smile Die t-Werte sind nur interessant wenn man Objektive hinsichtlich der Lichtdurchlässigkeit vergleicht.
Irgendetwas kann also nicht ganz stimmen. Dem Mitakon fehlt ein ganz klein wenig um ein echtes f⁄0.95 zu sein, zumindest wenn es um das Licht geht. Ich kann die Blende noch ein Stückchen aufdrehen wenn die Belichtungsanzeige auf +1.7 springt aber nicht weit genug, damit sie wenigstens +2.0 zeigen würde. Ich habe das mehrfach ausprobiert.
Es ist zusätzlich schwierig diesen Test durchzuführen, weil die Blende stufenlos ist. Daher hatte ich zuvor die Werte mit dem Olympus-Objektiv gemessen und dann den Belichtungswert mit dem Mitakon nachgestellt als Startwert. Dabei zeigte sich auch, dass die aufgedruckten Blendenmarkierungen nicht exakt passen – Das Mitakon scheint mehr Licht zu schlucken im Vergleich zum Olympus 12-40⁄2.8 also muss ich für einen Vergleich die Blende etwas weiter öffnen als die Markierung anzeigt.
Preis
Bei Mitakon konnte ich das 25⁄0.95 für $399 bestellen, inklusive Lieferung. Dazu kommt dann die Einfuhrumsatzsteuer von 19% und 6,7% Zoll. Der Eurowert des Objektivs waren ca. 350 Euro, dazu Einfuhr und Zoll waren in Summe ca. 445 Euro.
Das ist zwar immer noch viel Geld, verglichen mit ähnlich Lichtstarken Objektiven aber wirklich günstig wie ich finde.
Alternativen & Fazit
Eine Offenblende von f⁄0.95 scheint beim Mitakon also schon ein wenig Marketing zu sein. Vom Lichtwert reicht es vielleicht für ein f⁄1.1 was zwar toll aber nicht die beworbene Leistung ist. Das bezieht sich nicht nur auf den Lichteinfall sondern auch auf das Freistellungspotential – im Vergleich mit dem Canon f⁄1.8. Richtig testen kann ich es nicht, ich habe ja keine Laborbedingungen und Messgeräte und ich habe keine Ahnung, wie ich feststellen soll, ob ein Bokeh genau einer Blendenstufe mehr oder weniger entspricht bigsmile Ich bräuchte wohl ein richtiges f⁄0.95 im Vergleich aber woher nehmen? wink
Es gibt meines Wissens nur zwei Alternativen mit so einer Offenblende, die aber beide deutlich teurer sind:
- Voigtländer Nokton 25mm f⁄0.95 (manueller Fokus)
Liste € 949, Bei Amazon gebraucht um € 680 – € 900 - SLR Magic Hyper Prime 25mm f⁄0.95 (manueller Fokus)
Liste € 999, bei Amazon um € 780
Wenn es nicht auf das allerletzte bisschen Licht und Freistellung ankommt aber trotzdem cremiger sein soll als f⁄2.8 am MFT, dann gibt es ein paar Alternativen, die sogar Autofokus haben. Meine Recherche nach Offenblende sortiert:
- Olympus M.Zuiko 25mm f⁄1.2 (Autofokus)
Bei Amazon für € 1299 - Panasonic Summilux 25mm f⁄1.4 (Autofokus)
Liste € 599, bei Amazon für ca. € 475 gesehen, gebraucht ab € 399 - Panasonic Lumix 25mm f⁄1.7 (Autofokus)
Liste € 199, bei Amazon um € 177. - Olympus M.Zuiko 25mm f⁄1.8 (Autofokus)
Liste € 399, bei Amazon für ca. € 345.
Das Mitakon 25⁄0.95 ist trotzdem toll. Es ist sehr kompakt, der Fokus läuft butterweich und der Fokusweg ist angenehm lang, so dass man manuell sehr feinfühlig justieren kann. Die stufenlose Blende ist gewöhnungsbedürftig – Ich arbeite allerdings fast nur noch im manuellen Modus und drehe dann eben so lange, bis die Belichtungswaage die gewünschte Belichtung zeigt, ich muss dann nur aufpassen, dass ich die Blende nicht versehentlich verstelle, der Blendenring lässt sich nicht fixieren.
Die Abbildungsleistung finde ich völlig in Ordnung. Offenblendig darf man keine Wunder erwarten, wie bei vielen Lichtstarken Objektiven, etwas abgeblendet wird es richtig scharf. Offenblendig ist aber durchaus nicht unscharf, nur anfälliger für Farbsäume.
Tatsache ist aber auch, dass ich es mit Autofokus häufiger nutzen würde. Würde ich es wieder kaufen? Solange es keine für mich bezahlbare Alternative mit Autofokus gibt, ja! Würde ich ein 25⁄1.0 mit Autofokus für sagen wir 600 – 700 Euro bekommen, dann würde ich mich für den Autofokus entscheiden – Wer nicht?! wink
Zitat: “Nun fotografiere ich seit einer ganzen Weile mit einem kleinen Sensor im Micro-Four-Third-Format – halbe Fläche im Vergleich zum 35mm-Format, das wir alle so sehr lieben und kennen aus der analogen Zeit.”
Ich befürchte das M43-Format hat die halbe Kantenlänge und tatsächlich nur ein viertel der Fläche :-/
Trotzdem sehr interessanter Artikel.
Hehe das ist fortgeschrittene Mathematik … hihi, Crop-Faktor ist 2, da kam die Fehlschaltung im Hirn her. Ja, die Fläche ist etwa ein Viertel :) Danke.