Dies ist ein Gastbeitrag von Wolfgang Harst. Er hatte das Cyanotypie-Projekt mitgebracht zu den Klostergeistern 2016 nach Inzigkofen. Daher konnte ich dort meine erste Cyanotypie überhaupt erstellen und ich war davon so begeistert, dass ich unbedingt etwas zu diesem Thema in meinem Blog haben wollte. Ich käme mir aber blöd dabei vor, wenn ich hier wir ein altweiser Cyanotypist referieren würde, obwohl ich die Chemie nicht einmal selbst angesetzt habe smile Darum fragte ich Wolfgang, ob er nicht ein paar Worte über das Thema verlieren möchte für meinen Blog – Er sagte zu. Und es wurden ein paar Worte mehr … aber das kennt Ihr von meinem Blog ja schon wink Der folgende Text stammt also von Wolfgang – Viel Spaß beim Lesen und Experimentieren smile
Nein, es geht nicht um Whisky oder ähnliche Flüssigkeiten, sondern um UV-lichtempfindliche Lösungen. Die Klostergeister werden ja immer analoger. Wie Boris im Newsletter schon geschrieben hatte, haben wir uns in diesem Jahr in unserer Projektgruppe mit Cyanotypie beschäftigt.
Cyanotypie oder Blaudruck bzw. Eisenblaudruck ist ein Positiv-Negativ-Verfahren aus den 1840er Jahren, aber bevor ich das lange erkläre, verweise ich hier auf den Artikel dazu in der Wikipedia. Von den sogenannten Edeldruckverfahren ist es eines der einfacheren, es gilt aber auch hier: Die Erfahrung macht’s. Ich experimentiere schon eine ganze Zeit damit und habe meinen “Workflow” gefunden aber möglicherweise gibt’s ja noch das eine oder andere auszuprobieren.
Also habe ich im Vorfeld der Klostergeister in die Runde gefragt, ob Interesse an diesem Thema besteht. Es bestand und schließlich waren wir zu fünft in der Gruppe.
Werkzeug und Vorbereitung
Um das Thema nachvollziehbar und mit allen Arbeitsphasen einigermaßen vernünftig zu behandeln, hatte ich die nötigen Chemikalien, die “Werkzeuge” Schwamm, Pinsel, alte Zeitungen, Pullovertrockner und Einmalhandschuhe, verschiedene Papiersorten und einen Großformat-Drucker mitsamt Overhead-Folien in A4 und A3 eingepackt und damit war das Auto schon ziemlich voll.
Ich will dann hier kurz den Prozess darstellen, den wir in der Projektgruppe umgesetzt haben. Die Cyanotypie kann nicht mal “eben so” durchgeführt werden, sondern braucht etwas Vorlauf.
Zuerst wird der Bildträger vorbereitet. Wir folgten dabei den Spuren Herschels, nutzten also das Ur-Rezept einer Lösung aus Amoniumeisen-III-Citrat und rotem Blutlaugensalz (Kaliumhexacyanidoferrat-III) und strichen mit dieser Lösung verschiedene Papiere ein. Spätestens jetzt sind Gummihandschuhe nötig, die Lösung färbt sonst die Haut relativ hartnäckig ein.
Für eine gleichmässige Bildfläche eignet sich ein Schwamm, wenn die Abbildung später “strukturierter” sein soll, geht auch ein Pinsel, mit dem die überstehenden Ränder interessant gestaltet werden können, mit Walzen oder anderen Hilfsmitteln zur Übertragung der Lösung auf das Papier haben wir nicht experimentiert. Bisher bin ich, je nach Papier, am besten mit einem eher dünnen Auftrag gefahren. Erstens trocknet das schneller, zweitens ist das sensibilisierte Papier so handlicher zu verarbeiten und drittens lässt sich die überschüssige Chemie später leichter auswaschen.
Zum Papier wäre zu sagen: Die besten Erfahrungen hatte ich bisher mit Aquarellpapier und vor allem Skizzenblöcken (150g/m² aufwärts von Hahnemühle oder Canson) gemacht, diese Papiersorten hatte ich auch dabei. Theoretisch wusste ich, dass auch andere Materialien als Bildträger genutzt werden können, Jochen aus unserer Gruppe hat deshalb eine Holzlatte, Michael Klopapier und ein Papierhandtuch bestrichen.
Die Pullovertrockner (Drahtgestelle, die einen Netzstoff aufspannen) sind hervorragend geeignet, platzsparend Papiere zu trocknen, wir bauten sie im Keller unterhalb der Klosterküche auf, weil der so gut wie kein Tageslicht erhält. Die Bildträger sind nämlich nicht für alle Lichtarten empfindlich, sondern nur für UV-Licht, deshalb konnten wir auch diese abends bei etwas gedämpftem, aber ausreichend hellem Kunstlicht vorbereiten. Das sensibilisierte Papier ist an den eingestrichenen Stellen übrigens (noch) nicht blau, sondern nach Stärke des Lösungsauftrags eher blass braungelb bis gelbgrünlich.
Der Ablauf – Klappt auch bei bewölktem Himmel
Am nächsten Tag ging es dann darum, geeignete Negative für die Cyanotypien auszusuchen. Der Blaudruck ist nicht so nuancenreich wie die gebräuchlichen Fotopapiere auf Silberhalogenid-Basis, oder andere Edeldruckverfahren wie beispielsweise Platindruck, deshalb sollten die Negative etwas kontrastreicher und “knackiger”. Da die Cyanotypie ein Kontaktdruck-Verfahren ist, sind die Negative so groß wie das entstehende Positiv (Jürgen hatte die Idee, mal einen Vergrößerer mit einem UV-Licht auszustatten und damit dann kleinere Negative zu vergrößern, das konnten wir aber mangels Gerät nicht ausprobieren).
Wir suchten also Bilder aus, wandelten sie zu Schwarz-Weiss und dann in Negative um (das geht auch in Lightroom, indem man die Gradationskurve “umkehrt”), und druckten sie in A4 oder A3 auf Overheadfolien aus, wobei Wolfgang – der andere, der aus Österreich – neben den digitalen auch analoge Negative testen wollte. Boris durfte auch mal und hat, wie zu erwarten war, ein Negativ von einem Pferd ausgedruckt.
Der immer mal wieder zu lesende Tipp, das Bild vorher noch zu spiegeln und also seitenverkehrt zu drucken, ist meiner Ansicht nach eher problematisch: die Folie käme dann mit der bedruckten Schichtseite auf dem Bildträger zu liegen. Bei den zu erwartenden hohen Temperaturen, wenn das Bild in der prallen Sonne belichtet wird, ist mit Abfärben der Druckseite auf den Bildträger zu rechnen, denn die Druckertinte enthält pigmentbindende Wachse.
Belichtungszeit ermitteln – Der Belichtungsstreifen
Als die Folien gedruckt und getrocknet waren, spielte das Wetter nicht mehr so recht mit. Statt Sonnenschein hatten wir einen bedeckten, grauen Himmel. UV-Strahlen kommen aber trotzdem durch, ich hatte aber noch nie unter bedecktem Himmel belichtet. Bei Sonne komme ich normalerweise auf Belichtungszeiten um die acht Minuten oder kürzer, hier griffen wir aber wieder zum bewährten Verfahren des Belichtungsstreifens, den jede(r) kennen sollte, die/der schon mal in der Dunkelkammer Fotos vergrößert hat.
Kurz noch zu unserem Vorgehen beim Belichten: wir legten die Negative mit der Schichtseite nach oben auf das beschichtete Papier und steckten dieses “Sandwich” in einen billigen (UV-Licht!) Bildhalter unter Glas. So bereiteten wir einen Belichtungsstreifen vor, indem wir einen sensibilisierten Papierstreifen mit einem Negativ in den Bildhalter steckten, komplett abdeckten und alle zwei Minuten die Abdeckung ein Stück weiterschoben. Die so erzeugten Streifen zeigen dann also die erforderliche Belichtungszeit an, in unserem Fall etwa 12 Minuten. Allerdings wechselte an diesem Morgen noch öfter die Bewölkung, wir hatten also im besten Fall einen Richtwert und manche Bilder haben wir in drei Anläufen bis zu 25 Minuten belichtet.
Die Entwicklung
Die fertig belichteten Positive werden dann entwickelt, indem die unbelichteten Anteile mit Wasser ausgewaschen werden, eine Fixierung oder weitere Behandlung ist nicht nötig. Das ist alles recht unproblematisch, die verwendeten Chemikalien sind lediglich als schwach belastend für Gewässer eingestuft. Zum Schluss kann der Blauton, meist eine Art Preußischblau (“Berliner Blau”), noch durch eine schwache Lösung von Wasserstoffperoxid (H2O2) in Richtung Aquamarin geändert werden.
Neben den Negativ-Positiv-Bildern haben wir auch Gegenstände auf Papier bzw. das Holzstück belichtet, z. B. einen Farnwedel auf Papier als Hommage an Anna Atkins, eine der ersten Biologinnen, die das Verfahren systematisch eingesetzt hatte. Man kann auch Stoffe etc. mit der Lösung sensibilisieren, allerdings ist der Blaudruck nicht wasserstabil, eignet sich also nicht zum Belichten von T-Shirts o. ä., sonst hätten wir in Inzigkofen schon Klostergeister-Shirts machen können, die man dann aber nie waschen kann. Nach dem Trocknen sind die Papierbilder dann etwas wellig, färben aber nicht ab und können ganz einfach gepresst werden.
Also alles nicht so schwierig, von den verendeten Chemikalien her nicht bedenklich oder teuer und weniger aufwändig als die Handhabung gängiger Fotomaterialien auf Silbersalz-Basis, allerdings etwas zeitintensiver. Mit ein wenig Erfahrung und Experimentierlust bekommt man schöne Ergebnisse, und das macht das Verfahren aus meiner Sicht auch gut geeignet für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.
Schlussworte und Tipps
Zum Schluss noch ein paar Worte zu Tipps und Anmerkungen, die man zum Thema Cyanotypie öfter auf den entsprechenden Webseiten findet:
Was das “seitenverkehrte” drucken des Negativs angeht, habe ich oben ja schon meine Meinung geäußert. Es wird auch immer wieder die Empfehlung gegeben, die angesetzte Lösung sofort zu verarbeiten und nur “frische” Bildträger für gute Ergebnisse zu nutzen. Die erste Empfehlung kann ich unterschreiben aber die zweite nicht. Behandelte, lichtdicht gelagerte Papiere altern zwar, sind aber trotzdem sehr gut weiter zu verarbeiten, wie wir auch bei den Klostergeistern gesehen haben – ich hatte zur Sicherheit Papiere dabei, die schon seit Monaten sensibilisiert waren und die wir auch benutzten. Zum empfohlenen hochreinen Ammoniumeisen-III-Citrat (grün) muss ich sagen, dass auch reines Ammoniumeisen-III-Citrat (braun) gute Ergebnisse zeigt. Und das Blutlaugensalz scheint trotz Reinheitsangabe von Charge zu Charge etwas unterschiedlich in den Färbeeigenschaften zu sein.
Die anderen Projektgrüppler waren vom Verfahren so begeistert, dass sie das auch zu Hause fortführen wollen (sagten sie jedenfalls), ich selbst habe einige Anregungen zu Bildträgern, zur Verfahrensmodifikation (UV-Licht im Vergrößerer) und Belichtungserfahrung bei bedecktem Himmel mitgenommen. Und jede Menge Spaß.
Video und Links
Wer sich nach dem ganzen Text nicht so recht vorstellen kann, wie der Prozess abläuft: Jochen hat eine Doku darüber auf Youtube gestellt.
Ganz zum Schluss noch ein paar nützliche/interessante Links zum Thema:
“The Cyanotype” vom George Eastman House Photographic Processes Series
“Faszination des Blauen, die Cyanotypie”, Diplomarbeits-Text von Rainer Kassel
Gesellschaft für photographische Edeldruckverfahren. “Caynotypie” von Jochen Schulte
Rezepte und Tipps von Jürgen Schilling
Achtung, analog! von Thomas Rauers
Cyanotypie als Edeldruckverfahren auf wp.radiertechniken.de
So, und ganz ganz zum Schluss (versprochen) möchte ich mich hier bei Boris bedanken für die Ehre, den m.W. ersten Gastbeitrag bei ihm schreiben zu dürfen!
Sehr schöner Bericht. Da lässt man den Workshop gleich nochmal revue passieren. Danke, Wolfgang.