Anfang des Jahres erreichte mich eine Nachricht von Rüdiger. Er schrieb mir, dass er beim Aufräumen ein altes Objektiv wiedergefunden hatte, ein “Canon TV Zoom Lens V6x17”. Brennweite 17-102mm mit durchgängiger Blende f⁄2.0. Er konnte damit nichts mehr anfangen und so hatte er es mir überlassen.
Der Haken? C-Mount, also kein Bajonett sondern ein bestimmtes Gewinde zum Befestigen des Objektivs an der Kamera.
Das Tolle? Es gibt Adapter für C-Mount auf MFT und genau so einen haben ich bereits – Ihr erinnert Euch? Ich hatte mir vor einiger Zeit so eine 37mm CCTV-Linse geholt, das ist ebenfalls C-Mount smile Endlich fand ich ein wenig Zeit und bin mit dem Zoom mal raus gegangen.
Manuell
Das Objektiv wird natürlich komplett manuell bedient, es gibt keinerlei elektrische Verbindung zur Kamera. Hier zeigt sich durchaus der Vorteil der spiegellosen Kameras, die auch im Sucher ein Fokus-Peaking oder die Sucherlupe einblenden können, so lässt sich bei Bedarf sehr präzise scharf stellen.
Neben dem weich laufenden Fokusring mit langem Einstellweg gibt es natürlich den Zoom-Ring um die Brennweite zu ändern. Außerdem einen Ring um die Blende einzustellen. Der Blendenring rastet bei diesem Objektiv ein, allerdings nur auf volle Blendenstufen, Zwischenschritte sind nicht präzise möglich und vermutlich auch nicht vorgesehen.
Ganz schöner Brocken

Um dieses Objektiv mitzunehmen wird man schon eine gute Idee für seine Anwendung haben wollen, ansonsten lässt man die 600g-Tonne wohl eher zu Hause stehen. Dabei ist sie zwar recht lang aber noch relativ schlank, sie passt eigentlich ganz gut in die Fototasche. Hier mal ein Vergleich mit dem Olympus 40-150⁄2.8 PRO

Rechts: Canon TV V6x17 17-102mm f⁄2.0
Blendenform & Bokeh
Normalerweise versuchen Objektive immer eine möglichst runde Blende zu erzeugen, mit mehr Lamellen, mit abgerundeten Lamellen und so weiter. Dieses Objektiv ist anders. Die sechs Lamellen dieses Objektivs bilden einen 6-eckigen Stern, kurios.
Bei komplett geöffneter Blende kann man außerdem sehen, dass es im Objektiv einige Stellen zu geben scheint, die das Licht reflektieren. Hier ein Blick von vorne ins Objektiv bei geöffneter Blende, Ihr könnt die hell reflektierenden Ringe an der Innenseite des Objektivs erkennen.

Eine Blendenstufe abgeblendet auf f⁄2.8 sieht es gleich viel besser aus:

Lustig wird es, wenn man nun weiter abblendet – Ein Stern entsteht
So eine Blendenform muss sich natürlich aufs Bokeh auswirken. Ich habe eine Kamera mit vielen verchromten Teilen ins Fensterlicht gestellt und fotografiert – abgeblendet. Einmal scharf, um einen Reflektionsstern zu sehen, einmal unscharf um das Bokeh zu sehen. Die Reflektionssterne finde ich durchaus hübsch, das Bokeh ist eher… ähm… “kreativ” bigsmile


So eine Blendenform ist für kleine Lichtpunkte noch interessant, kurios oder lustig, für einen strukturierten Hintergrund in der Unschärfe – Wald, Sträucher, Wiesen, Industrie – bedeutet das wenig Ruhe.
Schärfe
Das Objektiv bietet 17-102mm – am Micro-Four-Thirds-Format adaptiert entspricht das einem Bildwinkel von 35-204mm, verglichen mit dem Kleinbildformat. Das ist beachtlich, vor allem wenn man bedenkt, dass eine Lichtstärke von f⁄2.0 durchgängig zur Verfügung steht. Die Frage ist natürlich, ob man die Offenblende sinnvoll nutzen kann.
Ich sag mal so – Man kann, wenn man keine technisch perfekten Bilder erwartet sondern stattdessen mit einem 80-Jahre-Dreamy-Look leben kann wink Bei Offenblende überstrahlen die Kontraste schon recht stark. Blendet man eine Stufe ab auf f⁄2.8 wird es schon deutlich besser.
Ich habe auf eine Kirchturmuhr gehalten

Hier einmal Ausschnittsvergrößerungen der Uhr bei Blende f⁄2.0 bis f⁄4.0



Man erkennt deutlich die starken Überstrahlungen bei f⁄2.0. Schaut man sich weiter oben die Aufnahmen beim Blick ins Objektiv an, kann man schon vermuten woher das kommen könnte, das Licht kann im Objektiv reflektiert werden. Schon bei f⁄2.8 sieht es deutlich klarer aus, kein Wunder, wenn die reflektierenden Stellen im Objektiv wirksam abgedeckt werden.
Die Abbildungsleistung ist aber schon wirklich gut und wenn man etwas mit dem Lichteinfall und der Lichtrichtung aufpasst, dann sind auch Bilder bei Offenblende ziemlich knackig – Hier hatte ich auf den Schriftzug fokussiert:
Bildkreis
Was bei den Beispielen oben schon sichtbar wird: Der Bildkreis reicht nicht ganz für das MFT-Format, es ist eine heftige Vignette zu erkennen. Selbst für mich ist das etwas zu viel und ich mag Vignetten wirklich gerne wink
Im 16:9-Format kann man das noch eher verschmerzen, ansonsten wird man wohl eher Ausschnitte nehmen wollen… oder man sucht sich die Motive und die Bearbeitung so aus, dass die Vignette gar nicht mehr auffällt



Was bleibt
Das Objektiv macht schon Spaß, es lässt sich sehr präzise einstellen, es ist zwar schwer aber recht kompakt und die Abbildungsleistung geht in Ordnung. Der Zoombereich ist ziemlich genial wobei man bei 17mm keine Abbildungswunder erwarten darf, im Telebereich erscheint es mir besser.
Am Ende ist es aber doch wohl eher ein “Spielzeug” oder eben ein günstiger Einstieg in eine längere Brennweite mit hoher Lichtstärke um auszuprobieren, ob man den Brennweitenbereich benötigt oder mag. Ich habe den Bereich bereits durch technisch bessere Objektive mit schnellem Autofokus abgedeckt, daher wird das Objektiv wohl die meiste Zeit in meiner Sammlung stehen bleiben und nur zu besonderen Anlässen ausgeführt werden wink
Vielen Dank an Rüdiger – Der Spaziergang mit diesem Objektiv hat wirklich Spaß gemacht smile
1 Kommentar