Gestern fand ich Post im Briefkasten. Eine Sendung konnte nicht von DHL verzollt werden und würde nun beim Zoll liegen wo ich das Paket abholen könnte. Das war nicht ungewöhnlich und Anhand der Daten konnte ich sehen, dass es sich wohl um ein Objektiv aus Hongkong handeln würde, dass ich kürzlich erst bestellt hatte. Ich sollte nun eine Rechnung oder Zahlungsbeleg mitbringen und etwas Geld oder eine Kreditkarte etc.
Ich weiß, dass einige von Euch durchaus schlechte Erfahrungen mit dem Zoll gemacht haben. Ich kann das nicht behaupten. Ich bin nett und freundlich und die Mitarbeiter sind dann auch freundlich zu mir smile Das war auch diesmal der Fall, wenn ich auch den Eindruck hatte, dass Heute alle etwas teilnahmsloser schienen.
Spannend fand ich aber den Wissensstand des Mitarbeiters – oder das fehlen eben dieses – und noch viel schlimmer die Zoll-Datenbank selbst, die es den Mitarbeitern dort meiner Meinung nach unnötig kompliziert macht.
“Lustig” fand ich, dass die Firma in Hongkong versucht hat, dass Objektiv möglichst ohne Zusatzkosten zu mir durchzumogeln. Es war außen als Geschenk mit einem Wert von $30 deklariert – Für ein $399 Objektiv.
Mal ehrlich, dass ist ja nett gemeint, wenn ich aber ganz offiziell etwas einkaufe, dann gibt es weniger Stress wenn auch alles offen und ehrlich deklariert wird. Zum Glück sprang der Mitarbeiter auf die krasse Diskrepanz nicht an und unterstellte mir auch keine Täuschungsabsichten – ich vermute, so etwas kommt bei denen täglich vor.
Ich wurde also gefragt, was in dem Paket sein sollte und was ich dafür bezahlt hätte. Ich antwortete, dass es sich um ein Kamera-Objektiv handeln sollte und dass ich $399 dafür bezahlt hatte, was ich mit einem Beleg bestätigte. Darauf hin sollte ich das Paket öffnen und den Inhalt zeigen. Nochmals die Nachfrage, ob es das sei was ich bestellt und wofür ich bezahlt hätte. Jawohl ja.
Nun war mir klar, dass 19% Einfuhrumsatzsteuer dazu kommen sollten und womöglich ein gewisser Prozentsatz für den Zoll. Letzterer war dann eine kleine Herausforderung.
Der Mitarbeiter verschwand an seinen Computer und kam nach einigen Minuten wieder. Er fragte mich: “Wie lang ist denn das Objektiv und welche Auflösung hat das?” – und nein, er meinte nicht die Brennweite.
Nein, er meinte wirklich die Ausmaße des Objektivs? Und welche Auflösung? Ich schaute ziemlich verblüfft und ratlos was ich antworten sollte. Er hatte das Objektiv gerade gesehen und hätte schätzen können oder hätte mit einem Zentimetermaß kommen können zum messen. Aber warum bitte ist für den Zoll entscheidend, welche Maße das Objektiv hat? Ich packte es einfach nochmal aus und meinte, dass er das wohl nachmessen müsste.
Ich erklärte außerdem, dass das ein optisches Element ist und dass so etwas keine Auflösung hat. Ich sagte, dass es an eine Kamera vorne dran kommt und selbst keine Kamera ist. Es ist Zubehör.
Er nahm den Karton mit an seinen Arbeitsplatz. Auf dem Karton stand die Brennweite und die Lichtstärke, was ihm aber nicht bewusst war. Ich fragte, ob ich helfen könnte? Tatsächlich lud er mich zu seinem Computer ein, um mit ihm zusammen auf die Auswahl zu schauen. Und da sah ich es!
Objektive – hatte er gewählt. Darunter eine längliche Liste von möglichen Artikelkategorien. Tatsächlich standen dort physikalische Ausmaße, z. B. 88×108×irgendwas (aus dem Kopf wiedergegeben) und darunter noch etwas mit Zoomfaktor 18. WTF?! bigsmile Ich erklärte, dass das in dem Kontext für mich keinen Sinn ergäbe und ich nur vorschlagen könnte, das Objektiv zu vermessen smile
Da kam ihm die rettende Idee: Schauen wir doch mal nach, ob es überhaupt unterschiedliche Gebühren für die ganzen Einträge sind, wenn nicht, dann wäre auch egal was er wählt. Ja, großartige Idee wink
Die Liste war eine Webseite. Er klickte 6 bis 8 Links an um sie in neuen Tabs zu öffnen. Er ging zum ersten Tab, wählte das Herkunftsland und bekam eine 6,7% präsentiert. Er ging zum nächsten Tab, sah einen Ladefehler, klickte einen Link und sah ebenfalls 6,7%. Zwei weitere Tabs dasselbe Spiel mit Ladefehler. Der nächste Tab zeigte nicht mal einen Link nach dem Ladefehler, dann hörten wir auf und nahmen 6,7%
Ich bekam einen 3-seitigen Beleg über Steuer und Zoll, zahlte mit Karte und bekam noch mal ein A4-Blatt mit angetackertem Zahlungsbeleg als Quittung. Zwei Mitarbeiter waren in Summe sicher 20 Minuten oder länger beschäftigt. Wahnsinn.
Kategorie-Chaos mit fragwürdiger Qualifikation
Ich frage mich, warum die Artikelliste im Bereich Objektive so umfangreich und kurios gegliedert ist? Was hat das Außenmaß mit dem Zoll zu tun? Ein 800mm Spiegelobjektiv ist kürzer als ein normales 800mm Objektiv und deren Qualität kann schlechter sein als ein 15mm Fischauge, Spielzeug vs. Profigerät. Zoomfaktor als Kriterium? Bitte? Und am Ende steht doch überall 6,7%, warum dann überhaupt eine Liste?
Ich frage mich außerdem, ob in Göttingen sonst niemand Objektive oder Foto-Zubehör im Ausland einkauft? Ich scheine da ja eine überraschend fremde Produktkategorie getroffen zu haben – ich mit meinem Objektiv wink Käme das häufiger vor, wäre wohl ein gewisses Grundwissen über solche Artikel vorhanden? Ich meine, bekäme ich das erste Designerkleid vorgelegt hätte ich davon auch keine Ahnung. Würde das im Jahr aber häufiger passieren, könnte ich mich als Mitarbeiter schon an so etwas erinnern und würde dazulernen smile
Egal. Mir tat der Mitarbeiter leid und ich war froh, dass am Ende alles geklärt war. $399 für das Objektiv – In Euro waren das €351. Dazu 19% Umsatzsteuer und 6,7% Zoll, in Summe €94,58
Habt Ihr schon Objektive aus Hongkong bestellt? Wie viel Zoll wurde bei Euch fällig?
Mich würde viel eher interessieren, welches Objektiv Du für 399$ gekauft hast? ;)
Weiß ich doch ;)
Jaja, das kommt mir bekannt vor! Bei mir war es allerdings ein Russisches Zenitar Fisheye das aus USA verschifft wurde. (Was ja eigentlich in sich schon suspect ist… ;-) ) Aber die Prozedur war ähnlich. Was ist das? Ein Objektiv. Für einen Fotoaparat oder was anderes? Also Fotografisches Equipment. Wie hoch war der Kaufpreis? Ok, macht dann sound soviel Einfuhrsteuer + Mehrwert.
Das kuriose dabei war, der Einfuhrsteuerprozentsatz hätte sich erhöht wenn ich eine Kaufpreisschwelle überschritten hätte… Ich war baff. Das Thema mit der Grösse hatte ich aber nur wegen der Einordnung in die richtige “Produktgruppe”. Wenn es klein genug ist hätte es wohl auch als Laborausrüstung oder sowas besteuert werden.
Ich kenne das von dir Geschilderte. Allerdings von der anderen Seite. Und ich bin dir dankbar, dass du das so beschrieben hast, wie du es getan hast.
Wir Zöllner müssen uns mit jeder Menge üblen, schlimmen und teils sehr komplizierten Vorschriften herumschlagen. Was dabei nicht vergessen werden darf (und du hast es dankerweise auch nicht vergessen), dass wir uns diese Vorschriften nicht selber auferlegt haben. Und für die fürchterliche Software mit der wir arbeiten müssen , haben wir uns auch nicht selber geschrieben. ;-)
Danke für deinen angenehmen Beitrag!
Uwe
Sehr gerne. Ich kann nur hoffen, dass ihr so etwas regelmäßig melden könnt. So kann man doch nicht arbeiten. Mein Beileid.
Meine größte Bestellung war bis dato eine Kamera über den Digitalrev Store (Hongkong). Die lief sehr schnell und reibungslos ab, was aber auch daran lag dass die sich selbst um den Zoll kümmern. Wobei auch diese ein wenig geschummelt hatten, denn statt der gezahlten 600€ (?) war irgendwas um die 400€ deklariert. Letztendlich führten auch nur ständige Lieferverzögerungen dazu dass ich sie lieber direkt aus Hongkong bestellt hatte als hier länger zu warten.
Ein Bekannter hingegen bestellt sehr viel aus China und Japan weil er es hier nicht bekommt und die haben schon so einige schräge Storys erlebt. Aber dies liegt dann wirklich an dem völlig veralteten System mit dem sich die Zollbeamten tagtäglich herumschlagen müssen. Ich glaube ohne eine große Portion Humor kann man diesen Dschungel als Zollbeamter kaum ertragen.
Sehr umständlich wird es leider auch wenn man mal nicht zum Zollamt fahren kann und dies aus der Ferne abwickeln möchte. Man denkt es würde genügen mal eben schnell die Unterlagen per eMail zukommen zu lassen und es Online zu bezahlen, aber leider artet dies oft eher in einer wochenlangen Odyssee aus.
Man kann nur hoffen dass sich an dem System mal etwas grundlegend ändert, schon allein den dortigen Mitarbeitern zu liebe.
Die Berechnung des Zollsatzes beruht auf einer Einordnung anhand des Gegenstandes bzw. der entsprechenden Zolltarifnummer. Das ist häufig gar nicht so einfach, insb. wenn es um Artikel handelt, die auch mehrere Einsatzzwecke haben kann. Bei Objektiven gilt die Kategorie:
KAPITEL 90 OPTISCHE, FOTOGRAFISCHE ODER KINEMATOGRAFISCHE INSTRUMENTE, APPARATE UND GERÄTE; MESS-, PRÜF- ODER PRÄZISIONSINSTRUMENTE, -APPARATE UND -GERÄTE; MEDIZINISCHE UND CHIRURGISCHE INSTRUMENTE, APPARATE UND GERÄTE; TEILE UND ZUBEHÖR FÜR DIESE INSTRUMENTE, APPARATE UND GERÄTE
Dort heißt es z.B. in einer Unterkategorie tatsächlich:
9002 11 00 30
– – – Objektive
• mit Abmessungen von nicht mehr als 180 mm x 100 mm x 100 mm bei einer maximalen Brennweite von mehr als 200 mm,
• mit einer Auflösung von 130 Linien/mm oder mehr und
• mit einem Zoomfaktor von 18
von der bei der Herstellung von Visualizern oder Livebild Kameras verwendeten Art
Der Zollsatz aus Drittländern beträgt anscheinend wirklich durchgehend 6,7%.
Wer mag, kann etwas stöbern:
http://ec.europa.eu/taxation_customs/dds2/taric/measures.jsp?Lang=de&Taric=90021100&SimDate=20160519
Grüße
GREGOR
Haha genial – Ja, genau so das bei ihm auf dem Bildschirm aus! Und egal welchen Abschnitt man genommen hatte, hinter kam überall 6,7% heraus :) Mal ehrlich, da macht man es den Mitarbeitern echt unnötig schwer wie ich finde.
Hier in Österreich haben wir den gleichen Schmerz mit den gleichen Problemen. Einmal kriegst du ein 800,- Teil ohne Zoll und Einfuhrumsatzsteuer (20%) durchgereicht, ein anderes Mal würgen sie dich mit irrwitzigen Zöllen und natürlich 20% Steuer weil du 2,- über dem Zollfreibetrag bist.
Davon abgesehen, weil damit muß man ja rechnen, daß Zoll fällig ist: Daß man auch die Frachtkosten verzollen muß grenzt nicht, sondern IST Abzocke vom Staat.