Mit der Farbfotografie kam auch die Herausforderung, die Farben so realistisch wie möglich abzubilden. Die Aufnahmen sollten möglichst reproduzierbar sein – auch mit verschiedenen Kameras.
In der digitalen Fotografie haben wir den Vorteil, dass wir für jede Aufnahme andere Einstellungen verwenden können. Weißabgleich ist das Stichwort für möglichst realistische oder zumindest neutrale Farben.
Eigentlich sollte eine Graukarte für diese Aufgabe reichen. Warum gibt es dann teure Produkte wie den ColorChecker Passport? Das wollte ich einfach mal ausprobieren.
Alle Fotos wurden im RAW-Format aufgenommen und in Lightroom 6 entwickelt. Zum besseren Vergleich öffnet Euch am besten jeweils zwei Bilder in neuen Browser-Tabs und schaltet dann hin und her.
Ohne Graukarte
Zunächst stellt sich ja die Frage, warum man überhaupt eine Graukarte benutzen sollte oder könnte, die Kameras bieten doch eine Reihe von wählbaren Weißabgleichen? Symbole bieten an, den Weißabgleich auf Sonne, Schatten, Bewölkung, Glühbirne und so weiter zu stellen.
Klare Sache, das wird probiert. Ich schnappte mir meine E-M1 und die 5D, stellte ein paar Dinge in die Sonne und wählte bei beiden Kameras das Sonnen-Symbol für den Weißabgleich. Die RAW-Aufnahmen schmiss ich ins Lightroom mit Standard-Einstellungen und exportierte sie als JPG. Hier die Ergebnisse.
Was mir in Lightroom sofort auffällt, sind die unterschiedlichen Werte für den Weißabgleich.
- Bei der Olympus E-M1 sind es 5100 Kelvin
- Die Bilder der Canon 5D werden mit 4950 Kelvin angegeben
Bei der Olympus erscheinen die Farben, vor allem im Rot-/Gelb-Bereich weniger gesättigt, etwas neutraler. Grün erscheint etwas dunkler und weniger gelblich als bei der Canon.
Klarer Fall – Die Voreinstellungen der Kamera sind alles andere als Neutral oder vergleichbar.
Graukarte
So eine Graukarte ist im besten Fall neutral grau lackiert, sie reflektiert also alle Bestandteile des Lichts gleichermaßen. Digitalkameras haben eine Funktion für einen manuellen Weißabgleich – der funktioniert bei jedem Hersteller und teils bei bestimmten Modellen unterschiedlich. Schaut einfach mal in die Anleitung und probiert es aus.
Ich legte eine Graukarte in die Sonne und stellte bei beiden Kameras einen manuellen Weißabgleich ein. Dann nahm ich das Motiv erneut auf. Hier wieder die Ergebnisse.
Schon besser. Weiterhin interessant: die Kelvin-Werte für den Weißabgleich bleiben unterschiedlich:
- Die Olympus nutzt nun 5700 Kelvin
- Die Canon steht bei 5150 Kelvin
Die Voreinstellung für “Sonne” ist bei der Canon also näher an der Graukarte als bei der Olympus.
Man muss schon etwas genauer hinsehen um die Unterschiede zu sehen aber es gibt sie noch. Die blauen Deckel gehen bei der E-M1 stärker ins Violett. Das Holzbrett dagegen mehr ins grün-gelbliche.
ColorChecker
Nun sollte die Farbtafel beweisen was sie kann. Wie funktioniert das eigentlich? Im Grunde ganz simpel. Man legt die Farbtafel ins selbe Licht wie das Motiv, macht ein Foto davon, importiert dieses Bild ebenfalls nach Lightroom und lässt dort ein Profil erstellen.
Der ColorChecker kommt mit einer Software um solche Profile zu erzeugen. In Lightroom taucht die Software im Export-Dialog auf. Man wählt einfach die Aufnahme mit der Farbtafel und exportiert diese zur ColorChecker-Anwendung. Man trägt einen möglichst sprechenden Profilnamen ein und der Rest läuft automatisch.
Die Software findet die Tafel selbstständig und legt ein Profil an. Falls die Karte mal nicht gefunden werden sollte, gibt es einen entsprechenden Hinweis. Normalerweise soll es dann helfen, wenn man das Bild so zuschneidet, dass nur noch die Farbtafel zu erkennen ist. Außerdem darf die Aufnahme des ColorCheckers nicht über- oder unterbelichtet sein. Da ist die Software ziemlich pingelig und mosert sofort rum, wenn ein Farbkanal überbelichtet ist – auch dann, wenn laut Histogramm und Prüfung in Lightroom alles passen sollte… Den Fall hatte ich bei einem Test in der prallen Sonne.
Ist das Profil erstellt, muss man Lightroom neu starten, damit es in der Liste der Profile auftaucht.
Ich schnappte mir die Aufnahmen der Farbtafel, die ich mit manuellem Weißabgleich erstellt hatte, ließ mir für die E-M1 und die 5D jeweils ein Profil erstellen und stellte für die entsprechenden Aufnahmen das Profil ein.
Hier die Ergebnisse – Es handelt sich um die oben gezeigten Aufnahmen mit manuellem Weißabgleich, die hier mit dem jeweils individuellem Profil entwickelt wurden.
Viel näher bekommt man die Aufnahmen wohl nicht zusammen. Die blauen Deckel unterscheiden sich immer noch ein wenig, was vermutlich an einer etwas unterschiedlichen Intensität des Lichtes liegt – Ich hatte zwar drauf geachtet, dass die Sonne immer kräftig auf das Motiv schien, aber es waren eben doch viele Wolken am Himmel.
Rot, Orange – passt soweit gut. Das Holzbrett sieht nun auf beiden Aufnahmen nahezu identisch aus.
Farbtafeln im Vergleich
Hier noch einmal die reinen Aufnahmen der Farbtafeln im Vergleich.
Zunächst mit Weißabgleich auf dem Sonnen-Symbol:
Dann mit Weißabgleich auf eine Graukarte:
Und schließlich die Aufnahmen mit manuellem Weißabgleich und dem individuellen ColorChecker-Profil:
Und? Braucht man das nun?
Klare Sache – Ich brauche das nicht bigsmile
Ich bearbeitet meine Bilder, ich drehe am Weißabgleich bis es mir gefällt, färbe Schatten und Lichter getrennt ein, ziehe am Kontrast etc. Realität ist doch langweilig smile
Es gibt natürlich Ausnahmen, manchmal soll es schon etwas natürlicher sein – Dann genügt mir aber eigentlich eine Graukarte zur Orientierung. Ich habe auch selten verschiedene Kameras im Einsatz die dann aneinander angeglichen werden müssten – und selbst wenn, dürfte die Graukarte sicher genügen.
Ohne direkten A∕B-Vergleich sieht wohl niemand den Unterschied. Selbst hier im Blog, wo die Bilder untereinander zu sehen ist, dürfte es den meisten schwer fallen, die Unterschiede zu erkennen.
Worüber reden wir also? Es mag teure Studio-Produktionen geben, bei denen es eben auf dieses letzte Quentchen Präzision ankommt, wo mit verschiedenen Kameras ein möglichst identisches Ergebnis entstehen muss, wo eine möglichst exakte Reproduzierbarkeit gefragt ist. Es gibt dafür auch noch Farbtafeln mit viel mehr Feldern – die kostet dann eben über 200 Euro statt um die 80 Euro und ist vermutlich noch präziser. Ich frage mich aber ernsthaft, in welchen Situationen man das noch benötigt oder überhaupt sehen kann?
Falls ich etwas entscheidendes Übersehen habe freue ich mich über Ergänzungen in den Kommentaren – vielleicht bringt die große 240-Euro-Tafel eine Lösung für ein spezielles Problem, das mir nur nicht bekannt ist?
Ich nutze selbst die Graukarte nur in seltenen Fällen – Wie sieht das bei Euch aus?
Hallo Boris!
Danke für diesen ausführlichen Bericht und die Erläuterungen in HS#415.
Auch ich hatte mir den Colorchecker Passport zugelegt, nachdem ich mit meinem 9 F-Stops-ND extrem ätzende – und nur schlecht korrigierbare – Farbverschiebungen festgestellt habe, die erschwerend bei verschiedenen Kameras auch noch unterschiedlich ausfallen. Diese lassen sich durch die Profilierung ganz gut kompensieren und die Ausgangsbasis für weitere Bearbeitungen ist dadurch bei den Bildern annähernd gleich.
Alles weitere – und auch die allgemeinen Aufnahmen ohne ‘dicke’ ND-Filter – bearbeite ich, wie Du, auch nur nach rein persönlichem Geschmack ohne Anspruch auf 100% korrekte Farbwiedergabe ;O)
Bin jetzt gespannt auf deine Tests und Ergebnisse bezüglich ‘Dynamikumfang ermitteln’.
Hallo Boris,
ich beschäftige mich gerade mit dem Thema, vor allem vor dem Hintergrund, dass bspw. auf einer Hochzeit mehrere Kameramodelle im Einsatz habe und diese leider die Farben nicht einheitlich wiedergeben. Das gilt auch, wenn beide Kameras per CWB auf denselben Weißabgleich eingestellt sind. Daher bin ich der Meinung, dass dein Einstieg in den Artikel nicht ganz korrekt ist; denn Weißabgleich und Kamerakalibrierung sind zwei paar Schuhe und die Kalibrierung kann eine Graukarte niemals leisten.
Gespannt bin ich auf die Ergebnisse, was die Olympus-Kamera angeht. Vielen Dank für die Infos!
Hatte ich eben vergessen – hier ein interessanter und (wie ich finde) differenzierter Artikel zum Thema:
https://howgreenisyourgarden.wordpress.com/tag/x-rite-colorchecker-passport-review/
Hallo Boris,
wahrscheinlich gibt es nur wenige Fotografen, die das tatsächlich brauchen, um “schönere” Bilder zu schießen. Aber ein Anwendungsfeld außerhalb der “ästhetischen” Fotografie fällt mir dann doch ein: in der Forschung wird häufig mit temperatursensitiven Farben gearbeitet. Das sind Lacke oder kleine Körnchen, die ihre Färbung mit der Temperatur ändern. Ich habe das mal am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt kennen gelernt. Dort wurden z.b. Temperaturschichtungen in Wasser sichtbar gemacht. Ohne sinnvolle Kalibrierung der Kamera ist eine korrekte Bestimmung der Temperatur nicht möglich.
Gruß Benni
Hallo Boris,
ich kann nur von meinen Erfahrungen berichten:
Ich hatte mit meiner Nikon D200 und dem Passport Profile erstellt, und die Imports in LR damit automatisch geladen. Sensationell: Deutlich bessere Farben.
Jetzt mit der D610 merke ich kauf mehr einen Unterschied. Ich werde allerdings falls es die Zeit einmal zulässt mit der D610 und verschiedenen Objektiven (Nikon und Sigma) Profile anlegen, da ich den Eindruck habe, dass die Farben nicht gleich sind. Das verkürzt möglicherweise die Bearbeitungszeiten.