Oder auch ein paar mehr Worte smile
Ich jammere ja gerne über die Trägheit von Lightroom und das war einer der Gründe, dass ich mich überhaupt mal mit Alternativen wie Capture One Pro beschäftigen wollte. Ein erster Test bestätigte meine Vorurteile dann auch drastisch. Ein zweiter Blick ließ meinen Vorwurf wanken…
Import und Vorschauen
Ich hatte einige Bilder eines Ausfluges und Aufnahmen meiner Apple Watch auf der Speicherkarte, insgesamt 276 Fotos. Die Aufgabe für Lightroom 6 und Capture One Pro 8: Diese Bilder auf die lokale SSD kopieren und Vorschauen berechnen, damit ich möglichst zügig durch die Bilder blättern kann um eine Auswahl zu treffen.
Dieser Test lief auf meinem MacBook Pro aus dem Jahr 2009, 8 GB RAM, SSD, die meisten Programme geschlossen, ansonsten ein arbeitsfähiges Gerät. Keine perfekten Laborbedingungen sondern normale Arbeitsbedingungen mit ein paar Zugeständnissen was den Speicher betrifft. In beiden Programmen legte ich jeweils einen neuen Katalog an.
Die 276 Dateien wurden von der SD-Karte über einen USB2-Kartenleser auf den Mac kopiert. Schneller als USB2-Geschwindigkeit ging es also nicht.
Es war immer nur eines der Programme geöffnet!
Erstes Rennen
Ich fing an mit Capture One:
- Die Dateien waren nach 3:05 Minuten kopiert.
- Die Vorschauen waren etwa 12:30 Minuten später fertig
- Gesamt Zeitaufwand für den Import: ca. 15 Minunten
Nicht schlecht. Jetzt Lightroom 6, genauer, Version 6.1.1 – also nicht die verkorkste Version mit dem neuen Import-Dialog!
- Das Kopieren der Dateien benötigte 4:45 Minuten
- Die Vorschauen waren erst nach satten 43 Minuten fertig
- Gesamt Zeitaufwand: ca. 48 Minuten.
Uff! 15 Minuten gegen fast eine Stunde, was ist hier los? Ist Lightroom wirklich so dermaßen langsam? Warum das Kopieren der Dateien langsamer war, kann ich nicht sagen, es ließ sich aber reproduzieren. Die Zeit für die Berechnung der Vorschauen schoss dann aber den Vogel ab.
Aber Moment – Wie groß waren die Vorschauen jeweils? Aha! Hier lag der Hase im Pfeffer.
Manöverkritik
Jammern ist in Ordnung, wenn man aber einen Fehler macht oder Äpfel mit Birnen vergleicht, dann sollte man sich dieses eingestehen und korrigieren. Was war passiert?
Nun, bei Lightroom habe ich nach dem Import die 1:1-Vorschauen berechnen lassen. Es ist nämlich egal was man in den Katalogeinstellungen eingestellt hat, wenn man im Import-Dialog die Option “1:1” wählt smile Diese 1:1-Vorschauen sind so groß wie die Auflösung der Kamera es hergibt. Diese Vorschauen werden genutzt, um schnell in der Einzelbildansicht zu Blättern und um in ein Bild hinein zu zoomen. Dank 1:1-Vorschau sollte man eigentlich ohne Verzögerung bis auf Pixelebene hinein zoommen können um z. B. die Schärfe zu beurteilen.
Das klappt seit Lightroom 6 auch wieder – meistens, manchmal klemmt es trotzdem und Bilder werden beim Blättern kurz unscharf gezeigt oder beim hinein zoomen sieht man kurz ein unscharfes Bild – Das nervt dann kolossal wenn man schnell Bilder aussortieren möchte, im großen und ganzen helfen diese Vorschauen aber.
Bei Capture One gibt es keine 1:1-Einstellung für die Vorschauen, hier heißen sie Proxies. Capture One hat seine Wurzeln bei den digitalen Rückteilen für Mittelformat-Kameras mit 80+ Megapixeln. Es wäre ein ziemlicher Aufwand, Vorschaubilder mit 80+ Megapixeln zu berechnen und später auch anzuzeigen. Capture One geht daher anders an die Sache ran – mehr dazu später.
In den Einstellungen wählt man eine Auflösung für die Vorschaubilder. Bei Installation ist hier ein Standardwert von 2560 Pixeln eingestellt. Also wurden bei meinem Test in Capture One Vorschaubilder mit knapp 5 Megapixeln erstellt. Bei Lightroom allerdings mit vollen 16 Megapixeln. Schon ein kleiner Unterschied.
Neuer Test mit vergleichbaren Auflösungen
Ich gab Lightroom wieder einen frischen Katalog und ließ die Bilder erneut importieren. Diesmal wählte ich im Import-Dialog die Standard-Größe für Vorschauen – statt 1:1 – und der Standard war in den Katalogeinstellungen auf 2048 Pixel gestellt weil es keine Einstellung für 2560 Pixel gab.
Der Import selbst dauerte wieder über 4 Minuten aber – Überraschung – Die Vorschauen waren in etwas über 4 Minuten fertig berechnet.
Jetzt noch mal in Capture One. In den Einstellungen eine Auflösung von ebenfalls 2048 Pixeln gewählt. Ergebnis: Vorschauen waren nach 10,5 Minuten fertig.
Wow! Lightroom gewinnt hier haushoch. 4 Minuten Lightroom gegen 10 Minuten Capture One bei vergleichbarer Auflösung.
Dann noch ein Vergleich in die andere Richtung. Es gibt bei Capture One keine 1:1-Einstellung für Vorschauen. Ich wählte also die höchste Auflösung von 5120 Pixeln, in der Annahme, dass Capture One nur maximal die Auflösung der Originaldateien nutzen sollte, und ließ die Vorschauen berechnen.
Nach etwa 31 Minuten war Capture One fertig. OK, das war schneller als Lightroom (43 Minuten) aber es lagen keine Welten dazwischen.
Und was bringen die Vorschauen?
Lightroom
Wie oben schon beschrieben helfen die 1:1-Vorschauen bei Lightroom deutlich. In der Einzelbild-Ansicht blättert man seit Lightroom 6 (und vor Lightroom 5 oder 4) recht zügig durch die Bilder, die (häufig) auch sofort scharf angezeigt werden. Ein Klick ins Bild zoomt an die markierte Stelle auf die 1:1-Ansicht und das geht verzögerungsfrei (meistens).
Mit den Standard-Vorschauen, die in 4 Minuten fertig berechnet waren, konnte ich in Lightroom zwar noch zügig durch die Bilder blättern, der Knackpunkt war aber der Zoom! Etwa 10 Sekunden wartete ich auf eine scharfe 1:1-Ansicht… da überlegt man sich dreimal, ob man wirklich Details sehen möchte oder muss…
Um also zügig zoomen zu können, braucht man bei Lightroom die 1:1-Vorschauen. Man kann sich nun überlegen wie oft man beim Durchschauen der Bilder in diese hinein zoomen möchte und dann abwägen, ob man die Zeit für die 1:1-Vorschauen in Kauf nimmt oder ob man bei jedem Zoom erst mal langsam ausatmet und bis 10 zählt smile
Die Zeiten beziehen sich auf meinen alten Core2Duo mit 2,4 GHz. Moderne i5 oder i7 Prozessoren sollten spürbar flotter sein – Mangels entsprechendem Gerät kann ich das aber nicht ausprobieren.
Capture One Pro 8
Nichts. Oder wenig. Es ist verrückt aber gefühlt bringen die Vorschauen keinen Vorteil. Ja, ich weiß, ohne diese Vorschauen würde man viele Sekunden warten um ein Bild am Bildschirm zu sehen also irgendetwas bringen die schon. Aber:
- Blättern in der Einzelbildansicht geht zwar extrem flott, die Bilder werden aber grundsätzlich erst unscharf, also in schlechter Auflösung angezeigt. Erst nach einer Zeit zwischen ¼ bis ½ Sekunden wird das Bild wirklich scharf gezeigt. Es ist zwar toll, dass beim Blättern sofort eine Reaktion zu sehen ist, ich würde es aber bevorzugen, wenn erst auf das neu gewählte Bild umgeschaltet würde, wenn dieses auch scharf gezeigt werden kann.
- Zoomen auf 100% – Die Anzeige ist zunächst extrem unscharf / schlecht aufgelöst, ähnlich wie bei Lightroom ohne 1:1-Vorschauen. Es dauert etwa 3-4 Sekunden bis das Bild wieder scharf gezeigt wird. Möchte man dann den Bildausschnitt verschieben, dauert es wieder 1-3 Sekunden und es ruckelt etwas während die Pixel für den neuen Ausschnitt berechnet werden.
Es half auch nichts, die Vorschauen mit 5120 Pixeln zu berechnen, im Gegenteil, Capture One wurde mit diesen großen Proxies sogar langsamer.
Phase One empfiehlt, die Größe für die Vorschauen so zu wählen, dass sie knapp größer ist als die übliche Darstellungsgröße des Viewer-Bereichs. Mein 15″ MacBook Pro hat eine horizontale Auflösung von 1440 Pixeln. Ein Proxy von 1440 Pixeln würde mir also genügen, weil der Viewer niemals mehr Pixel zeigt.
Nochmal – Capture One hatte seine Wurzeln im digitalen Mittelformat. Hier war es natürlich sinnvoll, immer nur den Ausschnitt zu berechnen, der auch gerade am Bildschirm angezeigt wurde. Dass es ein paar Sekunden dauert um den Ausschnitt zu verschieben, also um den neuen Ausschnitt wieder scharf zu sehen, hat jeder verstanden und in Kauf genommen, wir reden immerhin von gewaltigen Dateien in diesem Bereich und i7-Prozessoren mit 4 und mehr Kernen gab es auch nicht.
Dieselbe Programmlogik kommt nun aber auch bei den viel kleineren Dateien zum Einsatz. Auch dürften die Computer Heute mehr Speicher und schnellere Datenträger haben als damals. Die Software hängt aber an dieser Logik fest.
Kann natürlich gut sein, dass mit dem anhaltenden Trend zu immer höheren Auflösungen Phase One am Ende die Nase vorn haben wird. Ich habe keine Erfahrungswerte, wie Lightroom sich mit 1:1-Vorschauen der Nikon D810, Sony A7r, beide um die 36 Megapixel, oder gar mit der neuen Canon 5Ds mit 50 Megapixeln verhält. Der Platzbedarf für solche Vorschauen dürfte auch verhältnismäßig gewaltig sein.
Ich habe keinen Weg finden können, um auf meinem System schnell – oder überhaupt – zwischen Bildern zu wechseln ohne erst ein unscharfes Bild zu sehen. Gleiches gilt für den Zoom. Ich konnte nichts finden, um diese Funktion zu beschleunigen. Große Vorschaubilder halfen nicht.
Zwischenergebnis
Schon ziemlich unglaublich, oder? Mir ist klar geworden – nein, es wurde mir mit der Faust ins Gesicht geschlagen, auf welchem Niveau ich bei Lightroom am Jammern bin!
Klare Sachlage: Capture One Pro 8 ist beim Blättern und Zoomen träger und noch unangenehmer als Lightroom 6 – vorausgesetzt, man hat sich bei Lightroom die Zeit genommen, die 1:1-Vorschauen berechnen zu lassen.
Das ist stark. Ich mache den Computer aus und gehe nachdenklich ins Bett.
Bin schon auf die nächste Folge gespannt – bitte nicht aufgeben! ;-) Geschwindigkeit ist nicht alles, und ich bin besonders auf die Möglichkeiten bei der Bearbeitung und vor allem auch Qualität gespannt – von dem was ich bisher gesehen habe, ist C1 im Bezug auf Farbdarstellung und -bearbeitung sehr viel besser als LR…
Ich habe noch reichlich Stichworte für die nächsten Beiträge :D Auch wenn ich vorzeitig abbrechen sollte, es kommen definitiv noch mehr Informationen von mir :)
Interessanter Vergleich, wobei ich glaube, dass es auch stark von der verwendeten Hardware ankommt.
Ich hatte beim Wechsel von Aperture auch LR5 und C1 verglichen, ohne die Zeit zu stoppen, sondern bin rein nach der gefühlten Geschwindigkeit gegangen.
Das hat ja auch oft was mit, was fühlt sich besser an zu tun. Ohne es zu belegen, aber das Sichten mit C1 gefiel mir besser, weil die Phase bis LR ein scharfes Bild angezeit hatte gefühlt kürzer war. Vorschauen waren eigentlich gerendert.
Wie gesagt, der Vergleich war mit LR5
Gruß Mark
Lightroom 6 ist deutlich schneller geworden (beim Blättern / hineinzoomen) im Vergleich zur Version 5.
Aber: C1 soll (so ist es zu lesen) extrem von OpenCL profitieren wenn die GPU genutzt werden kann oder man sogar zwei GPU im Rechner hat! Inzwischen las ich auch vom Support, dass durchaus 30fps möglich sein sollen bei Bearbeitungen, WENN OpenCL funktioniert.
Dazu kommt bald noch ein Beitrag – Mein Macbook Pro hat zwar CPU + interne + dedizierte GPU, die GPU-Beschleunigung kommt bei C1 allerdings nicht zum Einsatz. Bei Lightroom aber auch nicht – der Vergleich ist also durchaus fair.
Wir müssen uns echt mal treffen! Ich würde gerne mal etwas auf Deinem Rechner mit C1 spielen :)
Nun muss ich mich doch mal aus meiner Rolle als schweigender Mitleser rauswagen und mich bei Dir bedanken, Boris! Vielen Dank für diese zeitlich perfekt abgestimmte Serie.
Ich muss im Januar die Entscheidung für den Rest des Jahres 2016 treffen: weiter mit Aperture oder Umstieg auf was Neues, das upgedated wird? Daraus ergibt sich direkt die Frage zwischen den zwei Lösungen, die für mich in Frage kommen: Lightroom oder Capture One?
Kurzum: ich werde die Beiträge hierzu gebannt verfolgen und bedanke mich schon mal im Voraus dafür, dass Du Dir die Mühe machst, alles zu testen, den Dingen auf den Grund zu gehen (siehe den Vergleich der Import-Zeiten) und dann auch noch alles flüssig runterzuschreiben.
Chapeau!
Hi Boris dein Artikel finde ich sehr interessant und es hat mich neugierig gemacht wie lange mein slebstbau PC wohl für exakt die selbe Aufgabe brauchen würde. Also versuchte ich alles soweit wie möglich deinen Bedingungen anzugleichen.
-Intel I7-6700K (derzeit schnellste Desktop CPU)
-32 GB RAM (für den Test irrelevant, ich weis)
-Win 10
-Lightroom Katalog auf einer SSD
-276 RAW’s (Nikon D600, 24MP, 30MB / Bild) importieren auf eine normale HDD
-USB 3.0 Kartenleser an einem USB 2.0 Port
– 1:1 Vorschauen erstellen
Das Ergebnis:
Import: 3:40 Minuten
1:1 Vorschauen: 12:35 Minuten
Gesamt: 16:15 Minuten
Ich gehe davon aus, das die Datenmenge in meinem BeispHar etwas größer ist als in deinem, da du deine Uhr sowie vermutlich die OM-D verwendet hast.
Ich bin auch der Überzeugung in Sachen Geschwindigkeit muss da noch mehr gehen bei Lightroom (Workflow). Jedoch bin ich mit den reinen Importzeiten durchaus zufrieden. Lightroom lastet meine CPU beim Import nicht vollständig aus (60%). Beim Export jedoch schon. Evtl. wird es bei dir doch Zeit für ein Hardwareupgrade. ;-)
Danke für die Ergänzung :)
Das alles kann ich nicht nachvollziehen. Ich weiss ja nicht wie lange das auf Windows läuft.
ICH hatte NOCH NIE ein Problem beim blättern (10.000 Bilder) in Lightroom5, weder am (alten, 16GB RAM) Mac Pro noch am (neuen, 8GB RAM) MacBook Pro; auch nicht auf der externen LaCie (USB3).
Wie lange das Generieren braucht, interessiert mich genau so wenig, wie der Import vom Kartenleser; alles läuft im Hintergrund bzw. ich gehe Kaffee trinken! Hängt ja vermutlich auch davon ab, welche Import-Optionen und ob ich CA-Korrekturen eingeschaltet habe; und mehr als 300 NEFs habe ich in einer Sitzung noch nie importiert.
Da ich wie gesagt nicht zusehe, kann ich auch nicht sagen, ob es über den Slot im MacBook schneller geht; vermutlich schon (SanDisk ExtremePro SDXC Class10).
PS: Ich bin seit 1974 in der EDV tätig. IMMER war die Software einen Schritt voraus, d.h. bei der neuen (leistungsfähigeren) Version muss man auch die Hardware erneuern/aufstocken.