Ich, analog – wer mich kennt oder den Happy Shooting Podcast länger verfolgt, der weiß, dass das eher nicht in Frage kommt. OK, ich hatte mir eine Plastik-Kamera zusammen gebaut und diese auch ausprobiert – aber das war ein Geschenk und wollte natürlich wenigstens einmal eingesetzt werden, Ehrensache. In meinen Beiträgen zu diesem Test klingt aber schon durch, dass ich das Thema Analog nicht wirklich vermisst hatte.
Was aber oft überhört wird ist meine Aussage:
“Wenn ich nochmal etwas mit analoger Fotografie mache, dann nur mit größeren Formaten.”
Ich meine, Kleinbild habe ich digital und gerade finde ich auch viel Spaß am mFT-Format. Warum also einen 35mm-Film belichten, wenn ich das Format so viel bequemer digital bekomme? Nö.
Aber Mittelformat? Großformat? Warum nicht? Meiner obigen Aussage muss ich noch hinzufügen:
“Wenn schon analog, dann richtig. Pure Mechanik, ohne Strom.”
Kürzlich ergab ein glücklicher Zufall, dass ich einen tieferen Schritt in die analoge Fotografie setzen könnte…
Größer als 35mm ist gesetzt. Mittelformat, mindestens 6×6 sollte es schon sein, um mich zurück ins Abenteuer Analog zu ziehen. Auch Großformat reizt mich durchaus, aber bitte etwas mobiles, eine Feldkamera, also etwas faltbares. Nunja, ich äußerte diese Gedanken bei ein paar Gelegenheiten, bei Gesprächen mit Hörern und Workshop-Besuchern, ich suchte aber nur selten aktiv nach solchen Kameras.
Es ist ein wenig wie Schuhe kaufen bei mir: Ich möchte den Schuh nicht suchen, er muss mich finden. Natürlich versuche ich die Chancen zu erhöhen indem ich gerne mal in ein Schaufenster schaue, stundenlang durch die Stadt streifen mit dem Ziel ein paar Schuhe zu kaufen, kommt bei mir allerdings eher nicht vor.
Na gut, nun erreichten mich im Laufe der Zeit immer mal wieder Tipps und Angebote zu verschiedenen Mittelformat-Kameras. Alle hatten sie allerdings einen Haken – Sie benötigten entweder eine Batterie oder sie waren schlicht zu teuer für mich oder beides.
Tatsächlich ist es erstaunlich, wie viele Mittelformat-Kameras nur mit einer Batterie funktionieren. Diese wird oft nicht nur für den Belichtungsmesser verwendet sondern auch für den Verschluss. Ohne Batterie lösen diese Kameras entweder gar nicht aus oder nur bei einer fixen Belichtungszeit.
Es mag ja exzentrisch oder krüsch klingen, aber so etwas wollte ich nicht. Ich wusste, ich würde so eine analoge Kamera nur selten nutzen und ich wollte so ein Schmuckstück auch nach Jahren aus einer Vitrine ziehen und fotografieren können, ohne Angst vor leeren oder gar ausgelaufenen Batterien haben zu müssen.
Ich war mir ganz sicher, dass es auch rein mechanische Kameras gab und gibt, die ganz ohne Batterie mit mehr als einer Belichtungszeit arbeiten können.
Bei meinem letzten Workshop, dem Posing-Workshop in Northeim, kam beim gemeinsamen Abendessen wieder einmal das Thema Boris und Analog auf den Tisch smile Ich erklärte meinen Standpunkt und schilderte, dass bisher alle Tipps in Leere liefen oder viel zu teuer waren. Da schiebt mir Ronny, einer der Teilnehmer, ein iPhone mit einer Bildersuche rüber. Es waren Bilder einer alten Kamera zu sehen. Ich guckte auf das iPhone, schaute ihn an und fragte, ob er so eine besäße. Er bestätigte dies und ergänzte, dass er die im Grunde übrig hätte da er noch eine andere habe. Es handelte sich um eine Primar Reflex II und er nannte mir einen Preis, der genau in mein Beuteschema passte.
Bäm, sollte mich die passende Kamera gefunden haben? Keine Batterie, reine Mechanik. Belichtungszeiten von 1 bis 1∕1000 und natürlich Bulb in zwei Versionen und Selbstauslöser. 105mm mit Offenblende 3.5 dabei und ein 165mm inklusive Rollfilmen. Alles für einen Preis der in mein Budget passte.
Ronny, nicht auf den Kopf gefallen, bot mir an, mir die Kamera zum testen zuzuschicken. Das nahm ich natürlich dankend an. Schnell kam das Paket an und ich machte mich mit den ganzen Knöpfen vertraut.
Ein großes Rad transportiert den Film zum nächsten Bild, klappt den Spiegel um und spannt den Verschluss. Durch den abnehmbaren Schachtsucher sieht man ein seitenverkehrtes Abbild der Wirklichkeit auf der Mattscheibe, ein Schnittbild hilft beim Scharfstellen. Noch präziser geht das mit der ausklappbaren Lupe.
In der Abdeckung des Suchers kann man noch eine kleine Klappe öffnen, so hat man einen Sportsucher – ein tolles Wort für einen freien Blick durch zwei quadratische Öffnungen um ganz grob schätzen zu können, was man wohl aufs Foto bekommen könnte smile
Ein kleiner Knopf lässt sich drehen um den Spiegel umzuklappen, ohne den Film zu transportieren. So kann man einfach mal gucken, ohne gleich ein Bild machen zu müssen. Direkt daneben der Knopf um den Selbstauslöser aufzuziehen und dahinter ein Hebel um diesen zu starten.
Ein Rad zum einstellen der Belichtungszeit. Kommt man zu den längeren Zeiten, zieht man eine Feder auf, ähnlich wie beim Selbstauslöser. Schon pfiffig gemacht.
Film einlegen – Ein Mantra
Das Einlegen eines Films allein ist schon ein Mantra. Das Bildzählwerk lässt sich wie ein Hebel zur Seite schieben. Der Knopf zum öffnen des Schachtsuchers lässt sich herunter drücken um die hintere Verschlussklappe zu öffnen. Dahinter kommt die Filmhalterung zum Vorschein. Den Knopf für den Filmtransport kann man zur Seite herausziehen, wodurch man die mechanische Halterung der Filmspule löst. So kann die Filmhalterung heraus gezogen werden.
Auf der oberen Spule ist der aufgerollte und belichtete Film. Die untere Spule, auf der der Film mal drauf war, ist nun eine Leerspule. An der Seite sind zwei Metallbügel die man wie eine Feder zur Seite ziehen kann um so die Spulen heraus zu bekommen. Der belichtete Film kommt raus, die leere Spule kommt an seine Stelle und der neue Film wird auf den jetzt leeren Platz gesteckt.
Rollfilm ist am Anfang und am Ende in Papier gewickelt um so vor Lichteinfall geschützt zu werden. Ein Klebestreifen muss zunächst entfernt werden, die Papierlasche dann herausgezogen, einmal um den Filmhalter herum gelegt und in die obere Spule eingefädelt werden. Nun dreht man die Spule vorsichtig von Hand um den Film, bzw. das Papier so festzuklemmen, dass es nicht mehr herausrutschen kann. Nun kann man die Halterung wieder in die Kamera setzen und mit dem Filmtransportknopf so lange drehen, bis man so gerade eben den Film hervorluken sieht.
Nun schließt man die hintere Klappe, dreht das Zählwerk bis zum Anschlag und klappt es dann wieder zurück, womit es mechanisch einrastet und ab sofort mit gedreht wird. Die letzte Aktion ist, den Spulknopf so lange zu drehen, bis man einen harten Widerstand spürt. Das Zählwerk steht nun auf 0, Spiegel und Verschluss sind gespannt. Es kann los gehen. Puh smile
12 Aufnahmen passen im Format 6×6 auf einen 120er Rollfilm. Meine ersten beiden Filme waren schnell voll. Der erste, weil ich gar nicht sicher war, ob überhaupt ein Film eingelegt war. Der zweite, weil ich die Kamera natürlich mal ausführen musste smile
Wie wird es weitergehen?
Tja und nun? Es sind Schwarz-Weiß-Filme. Sollte ich sie wieder weg schicken? Wie bei meinem letzten Analog-Experiment? Nein! Wieder 4× in die Stadt fahren kommt gar nicht frage und lange Warten auch nicht. Also selbst entwickeln – aber das soll in einem anderen Beitrag behandelt werden wink
Seid Ihr mit Mittelformat oder gar Großformat unterwegs? Was sind Eure Gründe und Erfahrungen? …ach ja… wenn Ihr eine rein mechanische Feldkamera übrig haben solltet bigsmile
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