Ein Ritt auf einer Kanonenkugel muss sich so ähnlich anfühlen. Na gut, die Kanonenkugel ist vermutlich noch schneller… und windiger… also vermutlich völlig anders bigsmile Trotzdem war es für mich ein ziemlich großes Abenteuer, als ich mich am Wochenende in ein kleines Flugzeug setzte und einem längeren Rundflug zustimmte.
Trotz Platzangst. Trotz Höhenangst. Trotz Flugangst. Das klappte wohl nur, weil diese Ängste bei mir recht spezifisch sind und ich gelernt habe mit ihnen umzugehen – bis zu einem bestimmten Niveau.
Darum soll es aber nicht gehen, sondern um Happy-Shooting-Hörer und Pilot Bernd, seinem Flugzeug, der Herausforderung aus dem Flieger zu fotografieren und um meine Eindrücke smile
Update 14.10.2016 – Korrekturen und Ergänzungen von Bernd. Vielen Dank dafür smile
Video
Bernd hatte Action-Cams an Bord und ich habe zwischendurch ein wenig mit dem iPhone gefilmt.
Wie alles anfing
Bernd hört den Foto-Podcast Happy Shooting, den ich zusammen mit Chris seit 2006 produziere und er dachte sich wohl, dass er uns doch mal persönlich kennen lernen und uns einen Rundflug anbieten könnte. Bernd ist nämlich Pilot und teilt sich mit zwei weiteren Piloten ein Flugzeug.
Einige E-Mails wurden ausgetauscht und Chris hatte zuerst Zeit sich mit ihm zu treffen. Inzwischen sind die beiden schon zweimal geflogen und haben dabei Fotos und Videos erstellt. Bei mir passte es von den Terminen her nicht und so musste mein Treffen mit Bernd noch etwas warten.
Auf der einen Seite konnte ich es kaum erwarten, auf der anderen Seite ist fliegen auch nicht unbedingt meine favorisierte Betätigung, jedenfalls noch nicht – dazu später mehr.
Erstes Treffen mit Verzögerungen
Schließlich hatten wir einen Termin gefunden, den Bernd leider kurzfristig absagen musste wegen eines Defekts an der Maschine – Die Achse des Bugrades war hinüber und da diese bei einer Landung im Zweifel ganz schön etwas aushalten muss, war damit nicht zu spaßen. Sie musste getauscht werden, was zunächst den Kauf einer neuen Achse bedeutete und dieses winzige Bauteil war ganz schön teuer.
Mein Terminkalender bot erst viel später wieder etwas Luft. Also warten…
…bis zum 24. September 2016. Für 11.00 Uhr hatten wir uns verabredet. Northeim hat einen kleinen Sportflugplatz mit Rasenpiste. Bernd kannte den Flugplatz noch nicht und wollte den bei der Gelegenheit auch mal anfliegen. Für mich praktisch, weil der Termin so quasi vor meiner Haustür stattfinden konnte smile
Ich fuhr also zeitig los um auf 11.00 Uhr am Flugplatz zu sein, da klingelte auf halber Strecke mein Telefon und Bernd war dran. Er hatte vorm Abflug die Webcam vom Flugplatz aufgerufen und sah zu seiner Überraschung dichten Nebel der eine Landung unmöglich machte. Nebel? Ich stand mit dem Auto in tollstem Sonnenwetter smile Da ich nun ohnehin unterwegs und der Flugplatz nicht weit war, fuhr ich hin um mir selbst ein Bild zu machen. Tatsächlich – Überall Sonne, nur direkt in einem langen Band direkt über dem Fluggelände eine dichte Nebelwand. So dicht, dass die Sonne teilweise gar nicht und teils nur als matte Scheibe zu erkennen war. Ich hörte ein Flugzeug, das vermutlich schon Warteschleifen flog.
Notiz an mich: Das nächste Mal auch von solchen Wetterlagen Fotos machen.
Immerhin ging ein kleiner Wind und der Nebel sollte sich wohl in der nächsten Stunde verzogen haben. Wir machten also 12.15 – 12.30 Uhr als neue Zeit aus. Das klappte dann auch smile Der Nebel war weg und Bernd flog gerade im Landeanflug an mir vorbei, als ich zum Flugplatz unterwegs war.
Erster Blick auf die Maschine
Da stand er also mit seinem Flugzeug, ging gerade eine Checkliste durch und erfasste seine Flugzeiten. Er öffnete die Kabine, indem er das Dach einfach nach hinten schob und ich konnte, über die Tragflächen kletternd, auf den Co-Piloten-Sitz rutschen.
Ganz schön eng hier und was sind das alles für Instrumente?
Bei der Maschine handelte es sich um eine Morane – das spricht sich einfach Moran – Socata M.S. 880 B-D, ein französisches Modell. Diese Version trug den Markennamen Socata Rallye 100 ST. Die Armaturen sind deutlich höher und breiter verteilt als in einem Auto, tatsächlich erkannte ich aber viele Anzeigen wieder.
Geschwindigkeit, Drehzahl, Tankanzeige, Öldruck, vieles wirkt vertraut, vor allem wenn man früher auch mal ältere Autos gefahren ist. Hinzu kommen dann einige Instrumente für die dritte Dimension. Da ist eine Anzeige die darüber informiert wie schnell man gerade steigt oder sinkt. Natürlich darf der künstliche Horizont nicht fehlen und eine Anzeige für die Rotation, gemeint ist die Drehgeschwindigkeit um die Hochachse, ist auch dabei.
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Ergänzung von Bernd:
Drehgeschwindigkeit um die Hochachse: Wenn man unter Luftverkehrskontrolle fliegt (z. B. bei Verkehrsflughäfen wie Hannover) erwarten die Lotsen eine Kurvengeschwindigkeit von 3 Grad pro Sekunde, d. h. 2 Minuten für einen Vollkreis; das zeigt der Wendezeiger mit den beiden großen Markierungen an.[/blue_box]
In der Mitte, wo in unseren Autos das Radio und Navigationssytem steckt, gibt es hier etwas ähnliches, nämlich das GPS. In Bernds Maschine stecken gleich drei GPS-Geräte. Warum? Weil bis jetzt niemand Lust hatte welche auszubauen bigsmile Als Backup sind sie natürlich auch hilfreich. Interessantes Detail: Wenn Bernd alleine fliegt, nutzt er keines der drei GPS-Geräte sondern ein Tablet, dass er mit einem Saugnapf rechts an der Kanzel befestigt smile
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Ergänzung von Bernd:
Ein Gerät ist fest eingebaut, das untere, kleine “GPS 100”. Es ist uralt und es gibt keine updates mehr, und genau, es hat einfach noch niemand ausgebaut. Das kommt vielleicht bald, wenn es durch ein Funkgerät mit dem bald vorgeschriebenen Kanalraster 8,33 kHz ersetzt wird. Bisheriges Kanalraster ist 25 kHz.
Das zweite Gerät ist das GPS 196, welches wir auf unserem Rundflug genutzt haben. Das ist so halb eingebaut. Man kann es rausnehmen, aber es sitzt in einer fest eingebauten Schale, und die Antenne ist auch fest im Flugzeug. Das Gerät ist auch alt, aber es gibt noch updates, und es ist ein “offizielles” Luftfahrt-Gerät, allerdings nur zur Unterstützung bei Flügen nach Sichtflugregeln (VFR), und nicht zur Primärnavigation.
Das dritte Gerät ist mein Tablet.
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Was so etwas kostet
So ein Flugzeug ist, je nach Sichtweise, durchaus bezahlbar – ein größerer SUV kann durchaus genauso viel oder mehr kosten und gebraucht bekommt man so ein Flugzeug auch schon für um die 15.000 Euro. Es kommen aber viele Kosten dazu. Ein Hangarplatz kostet um 120 Euro pro Monat, dazu Wartungen, Ersatzteile, Flugbenzin und so weiter, daher ist es durchaus üblich, dass sich mehrere Piloten ein Flugzeug teilen. Das ist bei Bernd auch so, ihm gehört 1∕3 der Maschine smile
Ich hatte Bernd gefragt, ob man irgendwie sagen kann, wie teuer so ein Flugzeug insgesamt ist? Bei Autos kann man so etwas nach Jahreskilometerleistung berechnen, bei Flugzeugen geht es nach Flugstunden. Bernd konnte mir zwar keine exakten Zahlen für dieses Flugzeug nennen, wusste aber aus einem Forum von einem Piloten, der das für diesen Flugzeugtyp mal ausgerechnet hatte. Nimmt man 100 Flugstunden pro Jahr an, zahlt man etwa 100 Euro pro Stunde – komplett, inklusive Versicherung, Wartung, etc. Wobei die Kosten natürlich nicht gleichmäßig anfallen smile Alle 2000 Stunden muss zum Beispiel der Motor überholt werden, was schon mal mit 15.000 Euro ein Loch in die Kasse reißen kann – da ist es schon gut, wenn man eine laufende Budget-Planung hat.
Überhaupt fallen ziemlich viele Wartungen an:
- Einmal pro Jahr muss das Flugzeug abgenommen werden, ähnlich dem TÜV für Autos.
- Alle 25 Stunden wird ein Ölwechsel fällig. Die Morane hat nur ein Sieb und keinen Ölfilter. Letzteres könnte man wohl nachrüsten, rentiert sich aber nicht weil sich das Wechselintervall zwar verdoppelt, dafür aber eine teurer Filter und die Installation von über 1000€ bezahlt werden muss.
- Alle 50 Stunden wird eine Inspektion fällig
- Alle 100 Stunden eine größere Inspektion.
- Alle 200 Stunden und alle 500 Stunden eine richtig große Inspektion
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Ergänzung von Bernd:
Das Ölwechselintervall verdoppelt sich zwar durch den Nebenstromfilter,
da dieser auch feine Partikel rausfiltert, aber die Installation kostet
mehr als 1000 €. Das Öl ist nur wenig teurer als fürs Auto, und so
rechnet es sich nicht wirklich, auch wenn der Ölfilter selbst
vergleichsweise billig ist.
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Damit man dabei den Überblick nicht verliert, werden die Flugstunden penibel gemeldet. Bernds Maschine ist in Arnsberg bei Dortmund beim Luftfahrttechnischen Betrieb, auch “Werft”, gemeldet. Dort landen die Stunden in einer Datenbank und man bekommt Bescheid wenn Inspektionen fällig werden.
Picknick und Flugschule
Ich hatte uns ein paar belegte Brötchen und Kaffee mitgebracht und der nette Mensch am Funk, der Flugleiter, war so nett uns ein paar Stühle und sogar einen Tisch nach draußen zu stellen, so dass wir die Sonne genießen konnten.
Wir schnackten über dies und das als plötzlich ein kleines Flugzeug, ein Ultralight, zur Startbahn fuhr – oder sagt man “rollte”? Es war eine Flugschule und jemand bekam offensichtlich Flugunterricht. Bernd fachsimpelte mit dem Flugleiter, der selbst Pilot war und ich erfuhr ein paar Details über das Verhältnis von Leistung zu Gewicht, Fluggeschwindigkeiten, Landeklappen aus Stoff und anderes smile
Plötzlich wurde das Motorgeräusch über uns leiser. Bernd ahnte sofort was los war und der Kollege vom Funk kam aus dem Büro und schaute nach oben. Nein, kein Defekt sondern eine Übung – Landen ohne Motor, wobei bei diesen Ultralight der Motor bei der Übung nicht abgeschaltet wird, er dreht stattdessen im Standgas weiter. Die Aufgabe des Flugschülers ist es, das Flugzeug durch gut geschätzte Manöver sauber zur Landebahn zu bekommen. Gar nicht so einfach – Die Höhe wird anfangs durch große Kreise oder Schleifen reduziert, im Anflug wird dann noch nach rechts und links geschaukelt um dann hoffentlich möglichst im vorderen Bereich der Landebahn aufsetzen zu können. Dabei darf man nicht zu schnell sein, weil ansonsten die Landeklappen kaputt gehen können.
Der erste Anflug sah perfekt aus, vermutlich der Fluglehrer der es vorgemacht hat smile Der zweite Anflug passte nicht ganz, der Flieger kam zu weit über die Rollbahn und die Maschine startete durch. Im zweiten Anlauf klappte es dann. Sehr spannend zu beobachten.
Ein Blick auf die Uhr und Bernd fragt: “Na, wie sieht’s aus? Möchtest Du mal ne Runde mitfliegen?” – Als ob ich seit Wochen über nichts anderes nachdenken würde bigsmile Es war ein innerliches hin und her und doch entschied ich aus dem Bauch und hörte mich sagen: “Wenn ich jetzt nicht fliege werde ich mir das nie verzeihen!”
Wir packten unser Picknick zusammen, gingen noch mal aufs Klo und dann zum Flugzeug.
Mein Flug
Checkliste
Bevor wir starteten konnte ich einen Blick unter die Motorhaube werfen. Mehrere Schrauben halten diese am Flugzeug fest. Der Motor ist ähnlich einem VW-Käfer-Motor – 4-Takter Boxermotor, allerdings mit Doppelzündung – Es handelt sich aber um einen Motor aus dem Hause Rolls Royce, nobel smile
Der Motor ist auch immer so eingestellt, dass er jederzeit starten könnte, es ist also nicht klug zu stark am Propeller zu drehen – er könnte den Motor starten! Das ist durchaus Absicht denn sollte in der Luft aus irgendeinem Grund der Motor ausgehen, kann er durch diese Konstruktion mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder gestartet werden.
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Ergänzung von Bernd:
Die Zündkabel selbst haben keine Schalter, sondern verbinden fest die Zündkerzen mit den Magnetspulen, die direkt durch die Motordrehung die Hochspannung für den Zündfunken erzeugen.
Allerdings können beide Zündkreise einzeln abgeschaltet werden, und auch beide zusammen. Dies geschieht aber nicht durch Trennen der Zündkabel, sondern durch Kurzschließen der Zündspannung gegen Masse. D. h. die Hochspannung wird immer noch erzeugt, fließt aber direkt über Masse ab, ohne einen Funken in der Zündkerze zu machen. Die Idee ist, dass wenn ein Schalter kaputtgeht, er eher in der Offen-Stellung kaputtgeht. In diesem Fall hieße das, man könnte die Zündung nicht abschalten, aber der Motor liefe immer noch. Wenn nun diese Kurzschluss-Schalter defekt sind, und noch Benzin-Luftgemisch im Zylinder oder im Ansaugrohr ist, dann kann im Prinzip der Motor kurz anspringen, wenn man am Propeller dreht; und selbst unser kleiner 100-PS-Motor kann einem schon die Hand brechen, oder mehr. Normalerweise schaltet man den Motor ab, indem man die Benzinzufuhr unterbricht, indem man den Gemischregler ganz
rauszieht; da hierbei eventuelle Benzinreste noch gezündet werden garantiert das, dass kein Benzin mehr irgendwo in der Nähe der Zylinder ist.
Man testet vor dem Start beide Zündkreise, indem man nacheinander erst den einen, und dann den anderen “aus”-schaltet (d. h. gegen Masse kurzschließt). Dabei muss die Drehzahl leicht abfallen (ca. 50–150 U/min), und zwar bei beiden ähnlich viel. Fällt sie stark ab, zünden ein oder mehrere Zündkerzen auf dem dann noch aktiven Kreis nicht
zuverlässig; das kann man z. T. durch “Abbrennen” des Drecks in den Zündkerzen (mittlere Leistung, sehr stark verarmtes Gemisch) im Standlauf beheben. Fällt die Drehzahl gar nicht ab, ist entweder der nun abgeschaltete Zündkreis komplett defekt, oder die Abschaltung dieses Zündkreises funktioniert nicht. Dann sollte man besser gar nicht starten.
In der Luft ausgehen wird der Motor (abgesehen von kapitalen Defekten) eigentlich nur, wenn er keinen Sprit mehr bekommt (Tank leer oder Umschalten vergessen), oder der Vergaser komplett vereist ist.
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Die Motorhaube kam wieder drauf und Bernd startete mit der Checkliste. Außen alles angucken und prüfen, das Bugrad gerade stellen – so ein Flugzeug ist toll ausbalanciert, man kann es vorne einfach anheben smile – anschließend kletterten wir in die Kabine wo Bernd die Checkliste fortsetzte. Es gibt für den Start und nach jeder Landung eine Checkliste. Bernd meinte, dass man etwa 15 Minuten benötigt um die Liste abzuarbeiten, wenn Öl nachgefüllt werden muss sind es mal 5 Minuten mehr.
Tanks umschalten
Nun zeigte er mir auch eine Eigenart dieses Flugzeugtyps. Es ist ein älteres Flugzeug und hat, wie andere auch, in jeder Tragfläche einen Tank. Der Motor zieht das Benzin aber nicht aus beiden Tanks gleichzeitig sondern immer nur aus einem zur Zeit. Es wäre nun blöd, wenn man einen Tank leer fliegen würde und der andere mit entsprechendem Gewicht das Flugzeug aus dem Gleichgewicht brächte.
Um das zu verhindern startete Bernd in einem der GPS-Geräte einen Timer der ihn alle 30 Minute daran erinnerte, den Tank umzuschalten. Das passiert manuell! Wenn der Timer abgelaufen ist, wird die Benzinzufuhr unterbrochen, dann mit einem Hebel im Fußraum auf den jeweils anderen Tank umgeschaltet und dann die Benzinzufuhr wieder aktiviert. Der Motor setzt zwischendurch aber nicht aus, versicherte er mir, weil genug Benzin in den Leitungen ist für diesen Vorgang, der nur ein paar Sekunden dauert.
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Ergänzung von Bernd:
Vor dem Umschalten wird die elektrische Kraftstoffpumpe eingeschaltet. Dann wird der Tankwahlschalter im Boden vom einen auf den anderen Tank umgeschaltet. Dabei muss man von der Stellung “Links” kurz über die Mittelstellung “Zu” drehen, um auf die Stellung “Rechts” zu gelangen (oder umgekehrt).
In der Praxis würde das auch problemlos ohne die Zusatzpumpe gehen, und es ist nur eine zusätzliche Absicherung: falls aus dem einen Tank nichts kommt, schaltet man zurück, und mit der Pumpe kommt dann schneller wieder Sprit beim Motor an. Aber sonst richtig: den ganz kurzen Augenblick auf “Zu” überbrückt man mit dem Sprit in der Zuleitung und im Vergaser-Ausgleichsbehälter.
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Der Start
Ich bekam eine kleine Sicherheitseinweisung. Richtig angurten, Notruffrequenz für den Funk und wie man diese einstellt, die wichtigsten Anzeigen, während der Pilot funkt ruhig sein, auf andere Flugzeuge achten und dem Piloten melden wenn welche zu sehen sind. Alles klar.
Der Motor wurde gestartet und ich war spontan froh, dass wir einen richtigen Gehörschutz mit eingebautem Funk hatten – meine Güte war das laut. Wir rollten zur Startbahn.
Ich ließ meine Apple Watch meinen Puls überwachen. Vom Rollen zur Startbahn bis zur Landung hatte ich nie unter 100 Schläge pro Minute, es war also sehr, sehr aufregend für mich bigsmile Northeim hat einen kleinen Sportflugplatz mit Rasenpiste und entsprechend holprig war es auch.
Bevor wir die letzte Kurve nahmen, das übliche Prozedere: Per Funk anfragen, ob die Startbahn frei ist, den Motor auf Drehzahl bringen, dann zurück auf Standgas, alles OK? Alles OK! Kein Zurück. Wir schwenkten auf die Startbahn und Bernd gab Gas. Ein irres Gefühl, wenn die Holperei auf der Wiese weniger wird und die Kiste plötzlich an Höhe gewinnt.
Nach einigen Höhenmetern sackten wir ab um gleich darauf wieder nach oben gedrückt zu werden. Uuuuh, ob ich das durchstehen würde? Es war recht turbulent an diesem Tag, viel Thermik bekam ich gesagt, toll für Segler, prima, ich freute mich für die wink
Der Flug – Fotografieren nicht so einfach
Auf dem Weg von Northeim nach Einbeck meinte ich noch, dass wir sicher nicht bis nach Einbeck kämen, mir ging es nicht so richtig gut… doch dann plötzlich, nach ein paar Minuten war wieder alles OK. Mein Körper oder mein Kopf hatte sich an die Situation gewöhnt. Es war zwar immer noch merkwürdig, wie man vom Wind hin und her geschüttelt wurde, das Flugzeug mal nach links, mal nach rechts zeigte, aber es beunruhigte mich nicht mehr.
Ich konnte mich also darauf konzentrieren, Orientierungspunkte zu finden um Bernd anzusagen, wo ich gerne mal hin wollte. Schon irre so eine “Live-Karte” von oben smile Solange ich wusste woher wir kamen, hatte ich eine tolle Orientierung aber wehe ich passte mal für eine Kurve nicht auf, gar nicht so einfach.
Nun wollte ich ja ein paar Fotos von oben machen und hatte zwei Kameras dabei, die Pentax K-1 mit 24-70mm Objektiv und die Olympus OM-D E-M1 mit 40-150mm. Vor dem Abflug entschied ich mich für die Olympus um einfach näher ran zu kommen und die Entscheidung war auch gut. Erst auf dem Rückflug zog ich die Pentax aus der Tasche und machte ein paar Übersichten.
Es war allerdings gar nicht so einfach dort oben zu fotografieren.
Ich hatte extrem wenig Platz. Das Flugzeug war klein, die Plexiglaskuppel war quasi direkt neben mir. Wenig Raum um eine Kamera mit Teleobjektiv zu halten und noch durch den Sucher zu schauen. Schräg nach vorne/unten ging es.
Außerdem war die Kuppel nicht 100%ig transparent und schluckte damit eine Menge Kontrast – Es lebe das RAW-Format und die Bearbeitungsmöglichkeiten. Hinzu kam, dass es etwas verschmutzte oder ungleichmäßige Stellen in der Kuppel gab, die für stellenweise unscharfe Bilder sorgten.
Zu guter Letzt war da noch die Tragfläche die immer wieder im Weg war, die Morane ist halt ein Tiefdecker, praktisch zum Betanken aber störend beim Fotografieren wink
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Ergänzung von Bernd:
Praktisch auch, weil man bei Kurvenflügen in Schräglage sieht, wohin man fliegt; das ist bei den Schulterdeckern schwieriger. Und den Blick direkt nach oben in die Wolken möchte ich auch nicht missen.
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Immer wieder flog mich Bernd über die gewünschten Gebiete, in wechselnden Abständen und Schräglagen, damit ich einen Blick erhaschen konnte. Das hatte ich mir gar nicht so knifflig vorgestellt, war es aber. Zu weit weg war der Blick zwar gut, das Motiv aber zu klein. Näher ran war das Motiv zwar groß aber unter der Tragfläche oder zu steil unter uns. Im richtigen Abstand in passender Kurve hatte ich Zeit für ein paar Schüsse, bei über 150 km∕h ändert sich der Blickwinkel aber erstaunlich schnell und ehe man sich versieht ist das Motiv schon wieder verschwunden. smile
Am Ende hatte ich richtig Spaß und hätte am liebsten meinen Folgetermin abgesagt wink Allerdings hätte das wenig gebracht, denn Bernd musste ja noch im Hellen nach Hause fliegen. Wir mussten also nach etwa einer halben Stunde den Rückflug antreten. Wir flogen einen anderen Weg zurück, so dass ich noch einen weiteren Stall von oben fotografieren konnte und wir entdeckten ein Pumpspeicherwerk, das sah mal richtig cool aus von oben!
Dann verlor ich die Orientierung smile Wir waren über einem Gebiet, in dem ich auch mit dem Auto fast nie unterwegs war. Erst viel Später fand ich wieder Bezugspunkte. Echt aufregend, seine alltägliche Umgebung aus neuer Perspektive zu entdecken.
Die Landung
Unspektakulär, souverän. Wenn man mal davon absieht, dass man die Landebahn in Northeim erst im letzten Augenblick zu sehen bekommt – Bernd bekam sie zu sehen, ich hatte meine liebe Mühe sie zu entdecken wink Bernd setzte sanft auf, die Graspiste schüttelte uns leicht durch, wir rollten zum Halteplatz und schon war alles vorüber.
Ich hatte am Abend beim Termin eine Menge zu zeigen und zu erzählen und Nachts im Bett gaukelte mir mein Körper noch einmal das Fluggefühl vor. Ich denke noch nach Tagen emotionsgeladen an dieses Erlebnis und würde wohl, trotz weiterhin vorhandenen Ängsten, einsteigen und ein paar Fotos von oben machen.
Interessanter Fakt und lustige Namen
Als wir so im Flieger saßen und über diverse Dinge schnackten, rollte plötzlich ein anderes Flugzeug aus dem Hangar und Bernd erkannte sie sofort: “Das ist der Klassiker, das ist das meist gebaute Flugzeug überhaupt.”. Er sprach von der Cessna C-172. Ich staunte. Ich meine das meist gebaute Flugzeug? Weltweit! Inklusive Kampfflugzeugen! Da müsste es ja verdammt viele von geben? “Ja”, meinte Bernd, “etwa 42.000 Stück!” – “Nur?”, entgegnete ich und war erstaunt. Es gibt einfach bei weitem nicht so viele Flugzeuge wie Autos. Gut, das ist mir schon irgendwie klar aber so richtig bewusst wurde es mir, als ich diese Zahl hörte smile – Ein VW Käfer lief 20 Millionen mal vom Band…
Übrigens haben alle Flugzeuge eine Kennzeichnung die in Deutschland immer mit einem “D-” anfängt, habt Ihr bestimmt schon gesehen. Danach kommen weitere Buchstaben und der erste nach dem Strich steht für die Flugzeug-Klasse. Mit einem Augenzwinkern erklärte mir Bernd, dass die Ultraleicht-Flieger ein “D-M…” tragen, was gerne als “die Möhre” übersetzt wird. Motorsegler hingegen tragen ein “D-K…”, was wohl am Stammtisch gerne mal mit “der Kackstuhl” übersetzt wird bigsmile Die schwereren Maschinen tragen ein “D-E…”, was laut Bernd natürlich für “die ECHTEN (Flugzeuge)” steht wink
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Ergänzung von Bernd:
“schwerer” nicht unbedingt. Obwohl Ultraleicht-Fluggeräte (streng genommen laut Gesetz keine Flugzeuge, sondern “Luftsportgeräte”) maximal 472,5 kg wiegen dürfen beim Start, gibt es für zertifizierte Flugzeuge (die höheren Standards genügen müssen und wesentlich strenger geprüft werden) kein Mindestgewicht. In der Praxis gibt es aber praktisch keine,
die leichter sind als UL.
“D-E…”-Zulassungen gibt es bis zu einem maximalen Startgewicht von 2000 kg, alles darüber hat “D-F…”; mehrmotorig leicht hat D-G, mehrmotorig etwas schwerer D-I (“D-H” ist Hubschrauber), noch schwerere (egal wieviele Motoren) haben mit aufsteigendem Gewicht D-C (5,7 bis 14t), D-B (bis 20t), D-A (über 20t) (Wikipedia)
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Mehr von Bernd
Bernd hat zwei schöne Flickr-Alben: Juliett-Bravo und Aerial Photography. Außerdem hat einen Youtube-Kanal, wo es auch einige schöne Flug-Videos zu sehen gibt.
Danke, Bernd, für dieses Abenteuer smile
Sehr schöner Bericht, nur wenige technische Ungenauigkeiten :)
Vielen Dank, und ich nehme dich gerne mal wieder mit in die Luft.
Bernd (Pilot)
Hallo Boris!
Schön, dass Du dich überwunden hast. Damit stehen Dir viele Möglichkeiten in der Luft offen ;-)
Aber “Platzangst” hättest Du in dem Fliergerchin sowieso nicht bekommen. Eher auf den Northeimer Marktplatz :-))
Grüße von einem Flugangstbefreiten aus München
Gerold