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Negative digitalisieren – ohne Scanner

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Von meinem Somikon-Selbstbau-Projekt hatte ich bereits berichtet. Auch über meine eher durchwachsene Film-Kauf- und Entwicklung-Erfahrung im lokalen Einzelhandel hatte ich ein paar Worte verloren. Nun möchte ich Euch erzählen, wie es weiter ging.

Natürlich sind Negative etwas tolles, irgendwie etwas ehrliches, nicht flüchtiges und Abzüge sind toll, ich möchte aber Bilder im Internet zeigen, ich möchte vielleicht mal Leinwände oder Poster drucken lassen – kurz: Ich brauchte die Bilder digital. Aber wie digitalisiert man Negative? Es gibt verschiedene Möglichkeiten:

 

  • Ich hätte mir direkt eine CD bestellen können als ich den Film weg geschickt hatte, vermute ich jedenfalls, weil das Früher mal ein häufiges Angebot der Labors war. Mich hatte niemand darauf hingewiesen, ich hatte nicht dran gedacht und außerdem waren meine letzten Erfahrungen mit solchen Labor-Digitalisierungen eher unbefriedigend. Es gibt auch Dienstleister, die so etwas nachträglich machen. Einfach Negative / Dias hinschicken und sich alles auf CD / DVD digitalisieren lassen. Pff – Ich habe einen Haufen Technik im Haus, das kann ich auch selbst smile
  • Man kann einen Flachbettscanner mit Durchlichteinheit verwenden. Hatte ich mal. Da konnte man einen Negativ-Streifen in eine Halterung einspannen, diesen auf den Scanner legen und die Software hatte automatisch die einzelnen Bilder auf dem Streifen erkannt und in der gewünschten Auflösung eingelesen. Den typischen Farbstich der Orange-Maske bei Farbfilmen hat die Software dabei automatisch korrigiert. Der Scan-Vorgang dauerte allerdings relativ lange und jedes noch so kleine Staubkorn trat überdeutlich hervor. Ich hätte das vermutlich wieder ausprobiert aber ich habe diesen Scanner nicht mehr.
    Durchlichteinheiten kann man auch nachträglich kaufen und über das Negativ legen oder man bastelt sich etwas mit Silberpapier oder versucht es mal mit einem Spiegel über dem Negativ.
  • Dias kann man speziellen Dia-Scannern recht einfach automatisiert digitalisieren. Einfach das Dia-Magazin einlegen, wie in einen Projektor, und Scannvorgang starten. Je nach Auflösung kann das aber auch ziemlich lange dauern. Wenn es keine ausgewiesenen Kunstwerke sind und es nur darauf ankommt ein paar Schnappschüsse auf den Rechner zu bekommen, kann man auch einen einfachen Dia-Scanner nehmen, der die Dias mit einer eingebauten Kamera abfotografiert. Habe ich auch schon bei Pearl gesehen.
  • Wenn man einen Diaprojektor hat, kann man diesen umbauen. Man packt eine schwächere Lampe hinein, damit der nicht zu hell ist, entfernt die Optik des Projektors, stellt seine Kamera so vor den Projektor, dass man direkt in diesen hinein fotografiert und schon kann man recht schnell seine Dias abfotografieren. Für Negativ-Streifen taugt diese Idee eher nicht, wenn man nicht vorher den Streifen zerschneiden und jedes Bild in einen Diarahmen legen möchte. Außerdem habe ich keinen solchen Projektor.

Von diesen Möglichkeiten kam nichts in Frage. Es gibt aber noch eine sehr naheliegende Möglichkeit, im Grunde eine Variation der zuletzt genannten Möglichkeit – Einfach abfotografieren.

Das richtige Licht

Der Negativ-Streifen muss von hinten durchleuchtet und von vorne abfotografiert werden. Eine einfache Aufgabe mit ein paar Stolperfallen. Ein Leuchttisch hat eine glatte, milchige Oberfläche die möglichst gleichmäßig beleuchtet wird. Früher waren da Glühbirnen drin, heute gibt es so etwas in Flach mit LED-Beleuchtung, cool.  Ich habe aber keinen Leuchttisch. Ich versuchte es also mit einem LED-Strahler. Die Streuscheibe war allerdings nicht wirklich milchig, legte man das Negativ direkt auf den Strahler, waren die einzelnen LED deutlich zu erkennen, selbst mit ein wenig Abstand zum Strahler funktionierte das nicht wirklich gut

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Eine gleichmäßigere Leuchtfläche musste her. Ich schaute mich um und schnell war klar, dass ich es mit dem iPhone ausprobieren sollte. Die hohe Auflösung sollte doch dafür sorgen, dass die Struktur nicht wirklich sichtbar würde und gleichmäßig hell war es auch. Im Prinzip auch eine gute Idee, wer aber glaubt, dass man einen Negativ-Streifen direkt auf das iPhone legen und abfotografieren kann, ohne dass man eine LED-Struktur erkennt, der hat sich verrechnet. Als Mensch mag man keine Pixel mehr erkennen können, aus normalem Leseabstand. Mit dem Objektiv rücken wir den Pixeln aber deutlich näher auf die Pelle. Das Ergebnis: Die Pixel sind erkennbar und führen streckenweise zu Moiré-Effekten.

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Die Lösung? Das Negativ darf nicht direkt auf dem iPhone liegen. Es muss so weit vom Display weg, dass es außerhalb der Schärfentiefe des Objektivs liegt. Ich nahm eine aus zwei Teilen bestehende Kunststoff-Schachtel für Visitenkarten als Abstandshalter und diese paar Zentimeter brachten es – die Struktur war nicht mehr erkennbar

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Jetzt konnte es losgehen. Da ich vom Stativ gearbeitet hatte war die Belichtungszeit egal und hätte ich die ISO-Einstellung meiner 5D vorher noch mal geprüft, hätte ich statt ISO 1600 lieber ISO 200 genommen und hätte weniger Rauschen in den Aufnahmen gehabt – na was soll’s, so habe ich den sehr klaren Negativen etwas digitales Rauschen gegeben, hat ja auch was smile

Das Setup

Wie oben beschrieben diente mein iPhone als Leuchtfläche. Ich startete einfach eine Zeichnen-App mit weißen Hintergrund und stellte die Helligkeit auf Maximum. Es half ebenfalls, die automatische Dimmung / Abschaltung zu deaktivieren oder das Intervall rauf zu setzen. Links und rechts vom iPhone lagen die Plastik-Schälchen der Visitenkarten-Schachtel auf denen ich eine Negativ-Halterung platzierte. Diese Halterung fand ich in meinem Light-Blaster und sie half, die Bilder am Rand des Streifens über dem iPhone zu halten. Ohne so eine Halterung hätte ich es vermutlich mit einem sauberen Glas aus einem Bilderrahmen versucht oder hätte mir aus langen Streichhölzern eine Brücke gebaut, um den Negativ-Streifen mit den Löchern darauf legen zu können.

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Die Kamera, in diesem Fall eine Canon 5D, war auf ein Stativ montiert und schaute exakt senkrecht nach unten. Für die genaue Ausrichtung war eine Wasserwaage im Blitzschuh sehr hilfreich. Diese kleine Wasserwaage hat mir schon so manches Mal geholfen und ich habe sie immer in meiner Fototasche smile

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Mit einem normalen Objektiv kam ich aber nicht nahe genug heran. Aus größerer Entfernung hätte ich zwar fokussieren können, das Negativ wäre dann aber nur ein kleines Rechteck auf der möglichen Bildfläche gewesen. Das war natürlich nicht das Ziel.

Mit einem Makro-Objektiv hätte sich das sehr einfach lösen lassen weil man damit extrem nah heran gekommen wäre. Eine 1:1-Abbildung wäre ja exakt passend gewesen: Ein 35mm Negativ auf einen 35mm Sensor. Ich habe aber kein Makro-Objektiv. Wenn Ihr so etwas machen möchtet und auch kein Makro-Objektiv habt, dann könnt Ihr viel Geld sparen, denn es geht auch günstiger.

Mit Zwischenringen – die habe ich nämlich smile Mit einem Zwischenring vergrößert man das Auflagenmaß des Objektivs, man bewegt es von der Kamera weg. Das verringert den Mindestabstand zum Motiv, man kommt also näher ran. Ich habe Zwischenringe für die Canon, die Autofokus und Blendeneinstellungen erlauben, weil die Kontakte durchgeschliffen werden. Wer Objektive mit Blendenring besitzt und manuell arbeiten mag, der kommt deutlich günstiger weg. Ich nahm mein Lieblingsobjektiv, das Canon 85mm f/1.8 und packte nach und nach die Zwischenringe drauf. Ich brauchte alle drei Ringe um ein Negativ wirklich Formatfüllend abzufotografieren.

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Routine

Das Setup stand – nun konnte es losgehen. Die Kamera stand glücklicherweise so, dass ich noch gut durch den Sucher schauen konnte, um die Negative möglichst genau auszurichten. Wer Live-View und Klapp-Display besitzt, ist hier je nach Aufbau deutlich im Vorteil.

So ein Negativ-Streifen liegt selten exakt plan. Auch der Aufbau muss natürlich nicht auf den 10tel-Millimeter exakt sein. Es ist also verdammt schwer die Negative wirklich 100%ig exakt auf der Schärfeebene zu halten. Man arbeitet hier mit einem extrem geringen Abstand und das führt zu einer fast lächerlich geringen Schärfentiefe. Um trotzdem möglichst stressfrei scharfe Bilder zu bekommen, habe ich das Objektiv auf f/8 abgeblendet. Die Schärfentiefe war noch immer gering genug, um die Struktur der iPhone-LED unsichtbar zu halten aber hoch genug, um kleinere Unebenheiten im Filmstreifen oder in der Auflage zu kompensieren.

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Für meine 30+ Bilder war diese Lösung absolut ausreichend. Einen Streifen einlegen und das Bild in der Halterung platzieren. Dann die Halterung über dem iPhone ausrichten währen man durch den Sucher der Kamera schaut. Um die Aufnahmen nicht versehentlich zu verwackeln hatte ich einen Fernauslöser angeschlossen und wie schon geschrieben, ich hätte statt ISO 1600 locker ISO 200 oder ISO 100 mit entsprechend längerer Belichtungszeit nehmen können. Ich war relativ schnell fertig. Ich würde sagen, die Suche nach den geeigneten Komponenten für das Setup und das Testen der verschiedenen Lösungen hat länger gedauert als die eigentliche Foto-Session.

Wer allerdings ein paar hundert oder gar tausende Negative digitalisieren möchte, der sollte das Setup noch verbessern. Ich würde dann vorschlagen die einzelnen Komponenten fest auf einem Brett zu befestigen, so dass sie nicht verrutschen können. Die Film-Halterung sollte ebenfalls fixiert werden, ggf. mit ein paar Tropfen Kleber. Das Brett mit den Einzelteilen könnte mit einer Schraubklemme am Schreibtisch gehalten werden. So wäre sichergestellt, dass man einen Negativ-Streifen wechseln kann, ohne dass man alles aus dem Sichtbereich der Kamera zieht.

Die Ergebnisse haben mich dann wirklich überzeugt. Wie ich die Bilder dann in Lightroom bearbeitet habe, erzähle ich Euch das nächste Mal.

Habt Ihr auch schon Negative digitalisiert? Wie habt Ihr das gelöst?


17 Kommentare

  1. Hallo Boris,
    das ist ja ein ausführlicher Beitrag zum Thema Negative scannen.
    Meine Erfahrung mit den Negativscannern mit eingebauter Kamera ist eher als schlecht zu beurteilen.
    Das liegt aber nicht an der Bauart, sondern ist im Negativformat .jpg begründet. Daher taugen die Geräte zwar noch für S/W Negative und Dias, aber nicht für Farbnegative. Die Farbkorrektur der Filterschicht passte bei meinen Negativen eigentlich nie. bei Negativen mit hoher oder niedriger Dichte (unter- oder überbelichtet) gerät die Kombination aus Kameramodul und eingebauter Lichtquelle an die Grenzen, da eine Belichtungswahl nicht möglich ist.
    Für mich hat sich der Objektivtubus von Pearl (ca. 40€) als die perfekte Lösung erwiesen, die eingebaute Linse ermöglicht die Scharfstellung mit einem normalen Objektiv. Mit meinem 28-75 2,8 Macro bekomme ich an die 100% Formatdeckung. Dank RAW Aufnahmen geht auch die Farbkorrektur einfach.

    Viele Grüße aus Berlin
    Rolf Betke

  2. Ich hab so einen Scanner mit eingebauter Kamera. Was soll ich sagen? Die Qualität der eingescannten Staubfussel ist exzellent! Mit dem beigelegten Wischer konnt ich noch nie alle Fussel entfernen. Die Platte, in die man die Negativstreifen einlegen kann hat kleine Stifte für den 35 mm Film. Aber auch Stege zwischen den Bildern; so wie kleine Rahmen. Allerdings sind die Löcher ja nicht standardisiert an den gleichen Stellen. Das bewirkt, dass bei jedem zweiten Film Teile der Negative abgeschnitten wurden. Immerhin kann das Ding Bilder auch als TIFF mit 48 bit abspeichern. Selbst einfache Belichtungs-, Helligkeits-, Kontrast- und Farbänderungen sind möglich. Auch Dias und Negative wurden ohne Probleme digitalisiert. Die Bilder haben 5 MPixel. Das Gerät hat 2011 etwa 50 EUR gekostet. Man möchte es kaum glauben, wo ich den bekommen habe: Beim Hofer (=der österreichische Aldi).
    Trotzdem wird meine nächste Bestellung ein Satz Zwischenringe sein. Ich hab noch einen alten Vergrößerer im Keller, da wird sich doch was bauen lassen. Außerdem hab ich noch Kameras, die Negative im Format 6×4,5 6×6 und 6×9 produzieren. Ich habe gestern bei der Firma Hartlauer nachgefragt (der hat dann beim Labor angerufen), und natürlich würden Mittelformatnegative eingescanned werden: 11 € pro Negativ. …. Immerhin macht es die Firma Lamprechter um 2,50 € pro Negativ.
    Danke für den motivierenden Artikel!

  3. Pingback: Anonymous
  4. Hallo Boris. Warum schreibst du, du hättest dank Stativ auch ISO 200 nehmen können? Du hättest doch auch problemlos ISO 100 nehmen können, oder hätte das irgendeinen Nachteil?
    Groß Ben

  5. Also inspiriert durch den Artikel habe ich heute auch “mal eben” was gebastelt ;-)

    Versuchsaufbau: Halter für Smartphone und Negativ gebastelt mit Juniors Lego ;-) als Kamera kommt eine NX3000 mit einem 50 mm (Nikon?) Objektiv (altglas ohne Elektronik) und Makroringen zum Einsatz.
    Mit Geduld und Ruhe sollten sich damit recht brauchbare Ergebnisse erzielen lassen.

  6. Danke für diesen informativen Artikel. Du beschreibst den mechanischen Teil und die Herausforderungen sehr schön. Aber der Artikel über die Nachbearbeitung in Lightroom ist nie erschienen, oder? Ich stehe nämlich gerade vor dem Problem, dass ich für ein 10.000+-Negative-Projekt die mechanischen und fotooptischen Probleme weitestgehend gelöst habe aber bislang die digitale Nachbearbeitung nicht bzw. nicht zuverlässig funktioniert. Ich bin hier händeringend auf der Suche nach fundierten Beschreibungen und Anregungen, wie andere gearbeitet haben. Insofern: Wie bist du in Lightroom vorgegangen?

  7. Sehr interessanter Beitrag. Ich hatte ebenfalls versucht meine Negative mit dem Handy zu fotografieren, zu invertieren und anschließend nachzubearbeiten. Mit dem Ergebnis bin ich dabei nicht wirklich zufrieden gewesen. Schlussendlich bin ich auf einen Nikon Scanner umgestiegen.

  8. Ich habe auch schon Negative digitalisiert, genauer gesagt, digitalisieren lassen, bei Diafab in Dresden. Da hat mir der Chef vor Ort einige Negative digitalisiert und ich konnte mir ansehen wie es gemacht wird. Eine Sony Kamera ist mit Makroobjektiv an einem Reproständer montiert, die von oben das durchleuchtete Negativ abfotografiert. Das Negativ wird sofort auf einem Monitor als Positiv angezeigt, das war echt beeindruckend. Da ich selber schon einiges probiert hatte Negative zu digitalisieren, war mir sofort klar, dass das ziemlich gut war. Mich hat diese Offenheit verblüfft, mit der man mir den Test vorgeführt hat, ähnliches ist mir bisher von einem Dienstleister noch nicht zu Ohren gekommen. Diafab scheint wohl weit und breit die einzige Firma zu sein die Abfotografiert, ich frage mich bloß warum? Geht doch viel schneller als Scannen und wie ich das beurteilen kann, ist die Qualität auch noch besser.

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